Das Spiel - Laymon, R: Spiel
selbst.
Trotzdem nicht schlecht für nur zwei Nächte, in denen sie hinter Mogs Briefen hergehetzt war. Ziemlich gut sogar.
Wenn das so weitergeht, sehe ich so gut aus wie schon lange nicht mehr.
Na toll. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. An diese alten Zeiten wollte sie sich wirklich nicht erinnern.
Vergiss es. Da bleibe ich lieber fett.
Sie nahm einen weiteren Schluck.
Zweifelsohne war es ein gutes Gefühl, besser auszusehen – so wie früher. Wie wenn man ein Kostüm ablegt.
Aber war es überhaupt ein Kostüm? Und war sie sich sicher, dass sie es nicht weiterhin tragen wollte?
Denk nicht weiter drüber nach. Was soll’s? Ich sehe besser aus, Punkt.
Vielleicht will Mog, dass ich abnehme.
Sie warf ihrem Spiegelbild ein Grinsen zu.
Genau das war es. Sie hatte sich immer gefragt, was er eigentlich vorhatte. Sie sollte bei dem Spiel ihre überflüssigen Pfunde verlieren.
Er will mich in Form bringen.
Damit ich eine gut aussehende Leiche abgebe.
Ihr Grinsen wurde noch breiter.
Das war ohne Zweifel der Plan.
Sie lachte leise. Dann verdüsterte sich ihr Blick.
So ein Blödsinn, dachte sie. Wie eine umgekehrte Version von Hänsel und Gretel. In dem Märchen mästete die Hexe den armen Hänsel, damit er einen fetteren Braten abgab. Vielleicht war das Ziel des Spiels, sie in Form zu bringen. Damit sie schlank, gut trainiert und attraktiv würde?
Aber warum?
Vielleicht so eine Art Pygmalion-Sache? Wollte Mog sie nach seinen Vorstellungen von Perfektion formen?
Seufzend schüttelte sie den Kopf.
Ich mache mich besser mal fertig und sehe nach Brace.
Sie öffnete den Spiegelschrank und holte Zahnbürste und Zahncreme heraus.
Als sie sich die Zähne putzte, erinnerte sie sich an den Geschmack von Rales Erbrochenem. Sie würgte. Tränen schossen ihr in die Augen.
Stop! Nicht dran denken!
Denk an was Schönes.
Nach dem Zähneputzen trank sie ein paar Schlucke kaltes Wasser und trocknete sich Hände und Mund an dem Handtuch ab. Dann wandte sie sich zur Badezimmertür um.
Ihr Morgenmantel hing nicht an seinem Haken.
Du hast ihn vergessen, du Idiotin. Geh nicht über Los, auch nicht ins Schlafzimmer, sondern direkt ins Bad. Wo hast du nur dein Hirn?
Wahrscheinlich am Mill Creek vergessen.
Aber das war kein Weltuntergang.
Sie schlang sich das Handtuch um den Körper und steckte
eine Ecke zwischen ihre Brüste. Das Handtuch war groß genug, um ihr Hinterteil zu bedecken. So gerade eben.
Ein toller Abend, dachte sie. Ein ganz toller Abend. Was geht wohl als Nächstes schief?
Sie öffnete die Tür einen Spaltweit und spähte in den Flur. Niemand. Brace saß wahrscheinlich im Wohnzimmer, trank seinen Bourbon und las, während er auf sie wartete.
Im Haus war es unangenehm still.
Was soll er auch beim Lesen für Geräusche machen?
Jane betrat den Flur. Das Schlafzimmer lag im Dunkeln, nur aus dem Wohnzimmer drang Licht. Regungslos stand sie da und lauschte.
Warum hustet er nicht oder so was?
Weil er weggefahren ist, deswegen.
Er wollte nicht mehr länger warten und ist nach Hause.
Langsam ging sie auf das Licht zu.
Er würde nicht einfach so abhauen. Irgendetwas stimmte hier nicht.
Was, wenn Mog sich ihn geschnappt hat? Er war letzte Nacht schon hier. Vielleicht ist er wiedergekommen und hat sich an Brace herangeschlichen …
Jane blieb stehen und presste das Handtuch gegen ihre Brust. Ihr Herz hämmerte wie wild.
Alles Quatsch, dachte sie. Brace geht’s gut. Ich mache nur schon wieder aus einer Mücke einen Elefanten.
Sie beugte sich vor und spähte um die Ecke.
Die Lampe auf dem Beistelltisch versperrte ihr die Sicht auf das Sofa. Aber so viel konnte sie erkennen: Brace war nicht da. Weder auf dem Sofa noch auf dem Sessel.
Vielleicht ist er in die Küche gegangen oder …
Dann bemerkte Jane Fingerspitzen, die auf dem Fußboden hinter dem Beistelltisch hervorlugten. Langsam ging
sie darauf zu und versuchte, möglichst kein Geräusch zu machen. Dann sah sie den Rest der Hand, und schließlich den ganzen Brace.
Er lag auf dem Rücken, die Beine leicht gespreizt, den linken Arm dicht am Körper, den rechten ausgestreckt, als wollte er Jane damit seine Position signalisieren.
Sein Hemd war aus der Hose gerutscht. Dazwischen war ein kleines Dreieck nackter Haut zu sehen.
Sein Gesicht war von einem der großen, blauen Sofakissen bedeckt.
NEIN!, durchfuhr es Jane, während sie auf ihn zulief.
Sie ließ sich auf die Knie fallen und zog das Kissen weg.
Braces Augen öffneten sich.
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