Das Spiel - Laymon, R: Spiel
fragte er.
»Ich vermisse dich jetzt schon.«
»Soll ich vorbeikommen?«
Sie schloss die Augen, lächelte und stellte sich vor, wie schön es wäre, ihn jetzt hier zu haben. »Das wäre toll«, sagte sie. »Aber lieber nicht. Ich bekomme sowieso schon zu
wenig Schlaf. Was ist mit dir? Musst du morgen keine Kurse halten?«
»Ach, das ist nicht so wichtig. Meine erste Stunde fängt erst um neun an.«
»Neun Uhr morgens?«
»Kein Problem, ich …«
»Meine Güte, ich hätte dich nicht anrufen sollen. Geh schlafen.«
»Hey, kommandier mich nicht herum«, sagte er. »Noch sind wir nicht verheiratet.«
Sie konnte sein Grinsen und seine blitzenden Augen förmlich vor sich sehen. »Sehr witzig«, sagte sie.
»Du wirst doch nicht etwa rot?«, fragte er.
»Was glaubst du?«
»Ich wette, du bist so rot wie eine Rose.«
Da hat er ins Schwarze getroffen, dachte sie, als sie an sich herabsah. »Wenn du schon so schlau bist, habe ich noch ein Rätsel für dich: Was habe ich gerade an?«
»Äh …«
»Gibst du auf?«
»Ja, ich will ja nicht, äh …«
»Nichts.«
Brace hatte es anscheinend die Sprache verschlagen.
»Bist du noch dran?«
»Äh, ja. Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?«
Na, wer wird jetzt rot?
»Ganz und gar nicht«, sagte sie. »Gute Nacht. Ich sehe dich dann am Sonntagmorgen, okay? Aber nicht zu früh. Vielleicht um zehn oder um elf.«
»Sicher. Wenn du wirklich so lange warten willst.«
»Ich glaube schon.«
»Na gut. Also … Gute Nacht.«
»Schlaf gut«, sagte sie und legte auf.
Dann las sie Mogs Mitteilung noch einmal durch:
Liebste Jane,
ich hoffe, dass du mit dem Hund keine größeren Probleme hattest. Es wäre mir unerträglich, wenn du nicht mehr weiterspielen könntest oder etwas von deiner Schönheit eingebüßt hättest.
Hast du dein Geschenk im Handschuhfach gefunden?
Vergiss nicht, es mitzubringen.
Zur üblichen Zeit,
im Haus am Rande des Paradieses.
Dein Meister,
MOG.
18
Jane erwartete, Brace irgendwann in der Bibliothek aufkreuzen zu sehen, obwohl sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn bis Sonntag nicht sehen wollte. Vielleicht nur, um Hallo zu sagen und mit ihr essen zu gehen.
Sie würde sich freuen, ihn zu sehen.
Vielleicht würde sie ihm sogar gestehen, dass sie ihn angelogen hatte.
Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Es war feige von ihr gewesen, auf diese Weise einer Diskussion über das Spiel aus dem Weg zu gehen. Sie hätte mit ihm reden sollen – ihm erklären sollen, dass sie dankbar für seine Besorgnis war, aber trotzdem nicht aufhören wollte.
Es wäre interessant gewesen, wie er darauf reagiert hätte. Wahrscheinlich wäre er wütend geworden, hätte vielleicht sogar die Fassung verloren und ihr verboten, weiterzuspielen. Vielleicht hätte er auch geschmollt oder sie sogar angefleht. Oder er wäre einfach aus ihrem Leben verschwunden. Eventuell hätte er ihre Entscheidung aber auch stillschweigend akzeptiert.
Diese letzte Möglichkeit entsprach am ehesten Braces Stil. Trotzdem hatte sie es nicht darauf ankommen lassen wollen.
Eine falsche Antwort hätte ihre ganze Beziehung gefährden können – deshalb hatte sie sich davor gedrückt und gelogen.
So ein Schwachsinn – das ist genauso, wie aus Angst vor dem Tod Selbstmord zu begehen.
Sie fasste den Entschluss, ihm alles zu beichten.
Wenn er auftauchte, wollte sie ihm alles erzählen und ihm die Nachricht zeigen. Als Belohnung dafür, dass er sie in der Bibliothek besuchte.
Aber er kam nicht.
Er wartete auch nicht auf sie, als sie um halb neun nach Hause kam.
Jane schob eine Tiefkühlpizza in den Ofen, öffnete eine Dose Budweiser und ging ins Schlafzimmer.
»Was zieht man an, wenn man in ein Spukhaus geht?«, überlegte sie laut. »Ketten wahrscheinlich. Oder ein weißes Bettlaken.« Sie nahm einen Schluck Bier. »Nein, keine Gespensterverkleidung. Ich bin nicht der Geist, sondern die furchtlose Schatzjägerin. Die Heldin. Jawohl.« Sie stellte die Dose ab und knöpfte ihren Jeansrock auf. »Eine ziemlich hirnlose Heldin, die genau dahin geht, wo sie nicht hingehen sollte. Was wäre dazu wohl angemessen?« Sie lachte leise, als sie aus ihrem Kleid stieg. »Laufschuhe.«
Und den ganzen anderen Kram, der dazugehört.
Sie zog sich weite blaue Shorts und ein Tanktop über. Genau das hatte sie früher immer getragen, als sie mit dem verfluchten Hurensohn Ken morgens laufen gegangen war. Damals, als sie noch schlank und fit gewesen war.
Sie sollte wieder damit anfangen. Jeden Tag,
Weitere Kostenlose Bücher