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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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Hierarchie.
    »Jawohl, schon erledigt.« Als Thomas das Telefon auflegte, sah er Viv und Devin an. »Sie brauchen jemanden«, erklärte er.
    Devin nickte, stand auf und eilte in die Garderobe.
    Viv blieb neben dem Podest sitzen und schaute zu dem Senator aus Illinois, der den Kopf gehoben hatte und nun, wie ihr schien, lüstern zu ihr hinübersah. Es gelang Viv nicht, den Blick zu ignorieren. Es war, als könnte er direkt durch ihre Brust hindurchsehen. Sie spielte mit dem Senatsausweis um ihren Hals und überlegte, ob der Mann ihn anstarrte. Es hätte sie nicht überrascht. Dieser Ausweis war ihre Eintrittskarte. Vom ersten Tag an hatte sie Angst gehabt, jemand könnte kommen und würde ihn ihr wieder wegschnappen. Vielleicht glotzte der Senator ja auch auf ihren billigen blauen Anzug oder wunderte sich, daß sie schwarz war oder daß sie größer war als die meisten anderen Pagen, einschließlich der Jungen. Sie maß fast eins fünfundsiebzig, hatte ausgetretene Schuhe und trug dieselbe kurzgeschnittene Afro-Frisur wie ihre Mutter.
    Das Telefon hinter ihr summte. »Sitzungssaal, hier spricht Thomas«, sagte der Chefpage. »Jawohl, schon erledigt.« Er drehte sich zu Viv um, während er auflegte. »Sie brauchen jemanden ...«, sang er.
    Viv nickte, stand auf und schaute stur auf den blauen Teppich, um dem Blick des Senators aus Illinois auszuweichen. Mit ihrer Hautfarbe kam sie zurecht, auch mit ihrer Größe. Wie ihre Mom sagte: Entschuldige dich nicht für etwas, was Gott dir gegeben hat. Aber was ihren Anzug anging, so albern das auch klingen mochte ... Einige Dinge trafen einen eben. Vom ersten Tag an beschwerten sich alle ihre neunundzwanzig Pagenkollegen über die obligatorische Uniform. Alle Senatspagen mek-kerten darüber. Bis auf Viv. Auf ihrer Schule in Michigan hatte sie gelernt, daß nur die über die Uniform maulten, die bei der Modenschau mithalten konnten.
    »Beweg dich, Viv, sie brauchen dich noch heute!« rief ihr Thomas vom Podest zu.
    Viv würdigte ihn keines Blickes. Sie schaute nur auf den Boden, während sie zur Garderobe am Ende des Saales ging. Sie fühlte, wie der Blick des Senators sie durchbohrte, hütete sich, Blickkontakt herzustellen, und marschierte hastig den Mittelgang hinunter. Doch die Stimme in ihrem Hinterkopf konnte sie nicht ignorieren, während sie Reihe um Reihe der antiken Tische passierte. Sie hatte die Stimme schon mit elf gehört, als Darlene Bresloff ihre Rollerblades gestohlen hatte ... oder mit dreizehn, nachdem Neil Grubin absichtlich Ahornsirup auf ihre Kirchenkleider geschmiert hatte. Es war eine starke, unnachgiebige Stimme. Die Stimme ihrer Mutter hatte Viv dazu gebracht, zu Darlene zu gehen und ihre Rollerblades zurückzufordern, und zwar auf der Stelle. Dieselbe Stimme hallte nun in ihrem Hinterkopf, während sie durch den Gang ging, auf den Senator zu, der direkt vor ihr saß.
    Vielleicht sollte ich etwas sagen, dachte Viv. Nichts Unhöfliches, wie zum Beispiel: Was glotzen Sie so? Er war immerhin Senator der Vereinigten Staaten. Das wäre dumm gewesen. Besser war ein einfaches: Hallo, Senator, oder ein: Schön Sie zu sehen, Senator, oder etwas wie ... Kann ich Ihnen helfen? Das war es. Kann ich Ihnen helfen? Einfach und trotzdem geradeheraus. Genau wie ihre Mom.
    Als sie nur noch fünf Meter von dem Senator entfernt war, hob Viv etwas den Kopf, um sich zu überzeugen, daß der Senator noch da war. Er hatte sich nicht von seinem hundert Jahre alten Tisch gerührt. Sein Blick war immer noch auf sie gerichtet. Zwei Schritte später wurde Viv unmerklich langsamer und umklammerte erneut den Ausweis, der von ihrem Hals herunterhing. Mit dem Daumennagel strich sie über das Plastik und kratzte an dem Stück Tesafilm, welches das ausgeschnittene Foto ihrer Mom festhielt. Vivs Foto vorn, das ihrer Mom auf der Rückseite. Das ist nur fair, hatte Viv gedacht, als sie es dort festgeklebt hatte. Viv war nicht von allein in den Senat gekommen, und sie sollte auch nicht allein dort sein. Solange Mom auf ihrer Brust lag ... Jeder versteckt seine Kraft an einer anderen Stelle.
    Drei Meter vor ihr, am Ende des Ganges, wich der Senator keinen Zentimeter von der Stelle. Vivian, wage ja nicht, zur ückzuweichen, hatte ihre Mom sie gewarnt. Und bleibe positiv. Viv biß die Zähne zusammen und sah die Schuhe des Senators. Sie brauchte nur aufzublicken und die Worte auszusprechen. Kann ich etwas für Sie tun?... Kann ich etwas für Sie tun? Sie sagte sie sich immer wieder lautlos

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