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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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gleichmütig.
    Die Fahrstuhlführerin ließ die Zeitung sinken. »Mieser Tag, was?« fragte sie mitfühlend.
    »Mehr als mies.«
    »He, vergiß die gute Seite nicht: Heute hatten wir Ta-cos zum Lunch.« Nach diesen Worten konzentrierte sich die Frau wieder auf ihre Zeitung, während der Aufzug herunterfuhr.
    Viv nickte dankbar, doch die Frau bemerkte es nicht.
    Ohne hochzuschauen, sagte sie plötzlich: »Mach nicht so ein griesgrämiges Gesicht, Süße. Sonst bleibt es für immer so.«
    »Ich bin nicht ...« Viv unterbrach sich. Wenn sie etwas in den letzten Wochen gelernt hatte, dann, welche Wohltat es war, den Mund zu halten. Das hatte ihre Familie ihr immer wieder eingeschärft, angefangen von ihrem Dad, der beim Militär diente, über ihre Mom, die bei einem Zahnarzt arbeitete. Viv wußte, daß es besser war, den Mund zu- und die Ohren offenzuhalten. Auch deshalb hatte Viv den Job überhaupt bekommen. Vor einem Jahr hatte ihre Mom assistiert, als einem Patienten in einem Nadelstreifenanzug der Weisheitszahn gezogen wurde. Nur weil sie dem gemurmelten Small talk genau zuhörte, erfuhr sie, daß dieser Patient Senator Kalo aus Michigan war. Einer der ältesten Befürworter des Pagen-pogramms. Vier plombierte Zähne später verließ der Senator die Praxis mit einem Zettel in der Tasche, auf dem Vivs Namen stand. Mehr brauchte es nicht, um ihr Leben zu ändern: die Gefälligkeit eines Fremden.
    Viv lehnte sich gegen das Geländer im Aufzug und las über die Schulter der Fahrstuhlführerin die Zeitung. Ein Richter des Obersten Gerichtshofes trat zurück. Die Tochter des Präsidenten steckte mal wieder in Schwierigkeiten. Doch nichts davon schien wichtig zu sein. Der Rest der Zeitung lag auf dem Boden unter dem Schemel, der Lokalteil obenauf. Vivs Blick wurde von der Schlagzeile angezogen: Identität des flüchtigen Unfallfahrers geklärt. Unter der Schlagzeile sah sie das Foto, das Harris ihr gerade gezeigt hatte. Der junge Schwarze mit dem sanften Lächeln. Toolie Williams. Viv konnte nicht wegsehen. Aus irgendeinem Grund war ihr Namensschild neben einem Toten gefunden worden. Selbst der beste Grund konnte unmöglich gut genug sein.
    »Kann ich mir das eine Sekunde ausborgen?« fragte sie, während sie sich bückte und die Zeitung unter dem Schemel hervorzog. Sie kniff die Augen zusammen, als sie die Seite dicht vor ihr Gesicht hielt. Das Foto verschwamm zu einem Wald aus grauen Punkten. Sie blinzelte kurz, und Toolie Williams sah sie wieder an. Sie dachte wieder an den Senator. Diese Kleinigkeit hatte ihr Leben verändert. Die Freundlichkeit eines Fremden.
    »Wir sind da«, verkündete die Fahrstuhlführerin, als der Aufzug mit einem Ruckein anhielt und die Tür sich quietschend öffnete. »Erdgeschoß ...«
    Von dem Moment an, als sich Viv im Sitzungssaal mit gesenktem Kopf an dem Senator aus Illinois und seinem lüsternen Blick vorbeigeduckt hatte, hörte sie das Schelten ihrer Mutter im Hinterkopf. Steh zu dir. Tritt immer für dich ein. Nicht zuletzt deshalb hatte ihre Mom gewollt, daß sie auf den Capitol Hill ging. Als Viv jetzt auf das körnige Foto in der Zeitung schaute, begriff sie, daß Mom nur einen Teil des Ganzen begriffen hatte. Es ging nicht darum, nur für sich einzutreten. Man mußte sich auch für die einsetzen, die es brauchten.
    »Willst du hier nicht aussteigen?« fragte die Fahrstuhlführerin.
    »Ich habe oben etwas vergessen«, antwortete Viv.
    »Du bist der Boß, Lady. Also zurück in den dritten Stock.«
    ***
    Kaum glitten die Fahrstuhltüren auf, quetschte sich Viv auch schon hindurch und eilte über den Flur. Hoffentlieh kam sie nicht zu spät. Die Schöße ihres übergroßen Jacketts flatterten hinter ihr her. Wenn sie ihn verpaßte ... Nein, nicht daran denken! Immer positiv bleiben. Denk positiv.
    »Entschuldigung ... Darf ich mal durch ...!« rief sie, und zwängte sich zwischen zwei männlichen Mitarbeitern hindurch, die mit Ordnern bewaffnet waren.
    »Immer sachte!« ermahnte sie einer der Männer.
    Typisch, dachte Viv. Jeder schubst die Pagen gern herum. Instinktiv ging sie langsamer, doch nach zwei Metern sah sie sich um. Die beiden Männer waren einfache Mitarbeiter. Sicher, sie war nur ein Page, aber ... die waren nur Bürohengste. Sie beschleunigte ihre Schritte, bis sie wieder lief. Es fühlte sich besser an, als sie erwartet hätte.
    Am Ende des Korridors blieb sie stehen, überzeugte sich, daß sie allein im Flur war, und klopfte an die Tür.
    »Ich bin's!« rief

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