Das spirituelle Wunschgewicht
Umgekehrt ist es möglich, aufs Essen zu verzichten, obwohl man Appetit hat oder sogar wenn man Heißhunger auf etwas hat. Manche essen nicht einmal dann, wenn sie echten Hunger haben, beispielsweise weil sie fasten.
Führt man sich diese Tatsachen vor Augen, wirken sie selbstverständlich. Und doch fragt man sich immer wieder bei Menschen, die etwas können, was man selbst nicht schafft: Wie machen die das bloß?
Wieso nimmt jemand am Büfett so viel weniger als man selbst? Und macht dabei sogar noch ein zufriedenes Gesicht? Wieso kann ich das nicht?
Und dann redet man sich ein: Na ja, dem schmeckt es eben nicht. Der weiß nicht, was wirklich gut ist. Der quält sich. Der isst zu Hause heimlich. Und so weiter.
Das kann alles zutreffen, möglicherweise hat der andere sich jedoch einfach entschieden, sein Wunschgewicht zu erreichen bzw. zu halten. Er verzichtet nicht auf die sinnlichen Genüsse, sondern nur auf das Übermaß. Derjenige hat einen größeren Gewinn vor Augen: sein Wunschgewicht. Es bedeutet ihm mehr als die unmittelbare Befriedigung der Gier nach Essen, die letztlich doch unersättlich ist, egal wie viel man zu sich nimmt.
Die Beispiele zeigen klar und deutlich, dass man seinen Gefühlen nicht ausgeliefert ist, sondern nach einer Abwägung der Vor- und Nachteile – manchmal in Sekundenbruchteilen – entscheidet, wie man sich am besten verhalten will.
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wo Ihre Gefühle ihren Ursprung haben?
Was macht Ihnen Angst? Was deprimiert Sie? Was regt Sie auf? Aber auch: Was macht Sie glücklich? Was gibt Ihnen Ruhe und Zufriedenheit? Was bringt Sie dazu, zu lieben?
Normalerweise antwortet man darauf so etwas wie: »Dunkelheit macht mir Angst. Es deprimiert mich, verlassen zu werden. Ungerechtigkeiten ärgern mich. Meine Kinder machen mich glücklich. Ein Spaziergang in der Natur beruhigt mich. Der Anblick eines Kätzchens ruft bei mir Liebe hervor.«
Die Struktur solcher Antworten ist immer dieselbe: Da ist ein äußerer Umstand, z. B. Dunkelheit. Dem folgt ein Gefühl, nämlich in diesem Fall Angst. Möglicherweise merken Sie schon, dass irgendetwas daran nicht stimmt. Haben etwa alle Menschen vor Dunkelheit Angst? Lieben alle Kätzchen? Empfinden alle einen Spaziergang im Grünen als beruhigend? Nein, dies trifft jeweils nur auf einige Menschen zu. Für andere gilt es nicht: Sie mögen Katzen nicht, auch keine jungen. Sie lieben die Dunkelheit oder sind lieber in der Innenstadt als in der Natur.
Dann sind es offenbar nicht die äußeren Umstände, die Gefühle auslösen. Sonst müssten alle Menschen gleich empfinden. Wir wissen, dass dies nicht der Fall ist.
Etwas Entscheidendes wird in den Antworten ausgeklammert: das Bewusstsein.
Der Ursprung der Gefühle liegt nicht in den äußeren Umständen, sondern im Bewusstsein. Erst die Wahrnehmungen und Gedanken geben der Außenwelt eine emotionale Bedeutung.
Wie bei den Grundfunktionen des Geistes beschrieben, lenken wir unser Bewusstsein auf bestimmte Dinge. Auf diese Weise legen wir fest, was wir wahrnehmen. Wer Essbares ignorieren will, der tut dies, indem er seine Wahrnehmung auf andere Gegenstände richtet.
Bestimmt haben Sie schon die Erfahrung gemacht, dass Sie etwas bemerkt haben, was anderen überhaupt nicht aufgefallen ist. Umgekehrt haben Sie sich sicher schon manches Mal gewundert, dass Sie etwas übersehen haben, was sich unmittelbar vor Ihrer Nase befand. Was wir nicht wahrnehmen, ist für uns nicht existent.
Die Wahrnehmung allein provoziert noch keine Emotionen. Wir müssen das Wahrgenommene erst noch einordnen und beurteilen, bevor sich unsere Gefühle regen. Was uns gleichgültig ist, ruft keine Emotionen hervor. Genauer gesagt löst die Gleichgültigkeit ein neutrales Gefühl aus. Finden wir etwas unangenehm, entsteht Ablehnung. Nach dem Inhalt unserer ablehnenden Gedanken spüren wir sie als Angst, Depression, Ekel oder Ärger. Erscheinungen, die wir positiv bewerten, empfinden wir als angenehm. Dazu stellt sich ein Gefühl von Glück, Zufriedenheit oder Liebe ein.
Die Dinge sind, wie sie sind. Erst die Gedanken, die wir uns über die Tatsachen machen, lösen unsere Gefühle aus.
Jetzt verstehen Sie vielleicht besser, warum wir emotional so unterschiedlich reagieren. Jeder lebt ein Stück weit in seiner eigenen Welt und bewertet seine Wahrnehmungen anders. So kommt es, dass sich der eine über etwas ärgert, was den anderen kaltlässt. Einige finden Spinnen, Schlangen oder Krokodile
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