Das Steinbett
sie beendeten das Gespräch in der Gewißheit, daß sie in der nächsten Zeit noch des öfteren miteinander zu tun haben würden.
Lindell wählte Mortensens Handynummer, erreichte aber nur die Mailbox. Sie nannte ihren Namen und bat Mortensen, sich so schnell wie möglich mit ihr in Verbindung zu setzen.
Jemand klopfte zaghaft an der Tür. Ola, dachte Lindell augenblicklich. Sie hatte richtig getippt.
»Ich habe mit etwas Mühe die Angaben über Cederéns Kreditkartenzahlungen bekommen«, sagte er und legte Lindell ein Dutzend Computerausdrucke auf den Tisch.
»Es sind drei verschiedene Karten, eine Firmenkarte von Visa, eine MasterCard und eine Tankstellenkarte von Hydro.«
Haver setzte sich.
»Ich habe versucht, alle mir unwesentlich erscheinenden Einkäufe auszuschließen. Sie sind grün markiert und größtenteils privater Natur. Wir haben die Firmenkarte, auf die Flugreisen gehen, die ich blau markiert habe. Dann haben wir noch Restaurantbesuche, weiß, und alles übrige ist rot markiert. Die besuchten Tankstellen habe ich auf einer Karte eingezeichnet und die Einkäufe im Ausland in einem gesonderten Verzeichnis erfaßt«, fuhr Haver tonlos fort.
Er griff nach den Papieren und verteilte die Blätter auf Lindells Schreibtisch. Lindell sah sich die Karte an.
»Getankt hat er anscheinend meistens bei der Hydro-Tankstelle an der westlichen Ausfahrt aus der Stadt.«
»Ja, wenn er die 55 nach Hause nimmt, ist das die nächstgelegene Tankstelle. Aber er hat auch an der E4, auf dem Råbyvägen und am Öregrundsvägen getankt.«
»Was ist mit den Restaurants?«
»Ich habe mir folgendes gedacht: Wenn er eine Geliebte hat, sind sie sicher auch das eine oder andere Mal zusammen ausgegangen. Ich habe mir alle Restaurantbesuche näher angeschaut, bei denen ich glaube, daß die Rechnung für zwei Personen war.«
Lindell lächelte.
»Das macht dir Spaß, was?«
Haver blickte auf.
»Es gab zwanzig Restaurantbesuche in den letzten zwei Monaten, die in Frage kommen.«
Er verstummte und wartete Lindells Reaktion ab.
»Wir machen mit einem Foto von Cederén die Runde in diesen Restaurants, vielleicht haben wir Glück«, sagte sie nach einem Moment des Nachdenkens. »Kannst du weiter mit diesen Listen arbeiten? Das könnte uns voranbringen.«
»Wen kann ich mitnehmen in die Restaurants?«
»Sprich mit Ottosson. Das soll er entscheiden. Die Auslandslisten kannst du Beatrice und Wende geben. Sie bearbeiten Spanien und die Verbindung in die Karibik.«
Haver schlug seine Mappe zu.
»Du kannst die Listen behalten«, sagte er. »Ich habe mir Kopien gemacht.«
»Du«, sagte Lindell, als Haver die Tür öffnete, »gute Arbeit!«
Er nickte und schloß die Tür vorsichtig hinter sich.
Ann Lindell stand auf und trat ans Fenster. Die Sache gefiel ihr nicht. Was sollten sie tun, wenn es ihm gelungen war, sich ins Ausland abzusetzen? Eine Viertelstunde blieb sie am Fenster stehen. Sie fühlte sich bleiern, hatte Kopfschmerzen. Edvard.
Sie erinnerte sich an seinen ersten Besuch. Das war in ihrem alten Büro gewesen, und er war gekommen, um sich vorsichtig nach dem Toten zu erkundigen, den er im Wald gefunden hatte. Sie erinnerte sich noch, wie er sie angesehen und ihr zum Abschied die Hand gegeben hatte. Schon damals, nach zehn Minuten, hatte sie in seinen Augen etwas entdeckt, das sie nie vergessen würde. In seinem Blick lagen eine Art Hunger und eine mit Unsicherheit vermischte, unbewußte Frechheit. Ein Mann mit dem Blick eines Jungen.
Sie konnte seine Telefonnummer auswendig, rief ihn aber nicht an. Quälte sie sich selber? Sie hatte ihn verlassen und sich für Einsamkeit und Arbeit entschieden, vielleicht aber auch für die Hoffnung, seine Zögerlichkeit und seinen Schwermut dank eines anderen Mannes hinter sich zu lassen. Sie fand keinen anderen, besser gesagt, bislang hatte sie niemanden gefunden, der Edvard ersetzen konnte.
Mittlerweile war ihr auch klargeworden, warum sie ihn verlassen hatte. Es waren nicht die praktischen Probleme, er auf Gräsö, festgehalten von einer unausgesprochenen Loyalität zu seiner greisen Vermieterin, sie in Uppsala, an die Stadt gebunden durch die Arbeit. Nein, es war seine Unfähigkeit, sein Leben selber in die Hand zu nehmen. Er ließ die Dinge einfach geschehen. Seine beiden Söhne hatte er scheinbar leichtfertig aufgegeben und jeglichen Kontakt zu ihnen verloren. Er hatte sein Leben einfach beiseite geschoben.
Trotzdem wußte sie ganz genau, daß er unter seinem jetzigen
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