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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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und die Gefahr, dass das Ganze aufflog, war mit jedem Mal gestiegen, da sie ein Bild im Museum ausgetauscht hatten.
    „Was sagen wir, wenn einmal jemandem der Ölgeruch auffällt?“, hatte Grimminger Kinsky gefragt.
    „Dann sagen wir, dass das Bild frisch restauriert wurde. Dass es einen neuen Firnis erhalten hat. Und das ist noch nicht mal gelogen!“
    Das stimmte. Die Bilder wurden nämlich immer zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgetauscht. Sobald Kinsky entschieden hatte, welches Gemälde er als nächstes verkaufen würde, setzte sich Grimminger in den Saal, in dem es hing, und kopierte es. Dafür nahm er sich ein Dreivierteljahr Zeit. Ein halbes Jahr später verschwand das Original von der Wand und landete auf dem Tisch von Doktor Franz Kittelberger, dem Chefrestaurator des Kunsthistorischen Museums. Nun konnte Grimminger nur noch nachts kopieren. Er kam, wenn Kittelberger schlief, und malte unter dem gleißenden Schein der Speziallampe, mit der der Restaurator die Gemälde untersuchte. In den darauffolgenden Monaten, in denen Kittelberger das Original bei sich hatte, kümmerte Grimminger sich um die künstlichen Spuren der Alterung. Und wenn der große Tag kam und das frisch restaurierte Bild wieder ins Museum zurückkehren sollte, wurde es einfach ausgetauscht. So fiel auch wirklich niemandem der Ölgeruch und das neue Aussehen des Gemäldes auf. So konnten sie sichergehen, dass der Restaurator nichts bemerkte, denn er hätte sie sofort enttarnen können. Und bis ein Gemälde wieder restauriert wurde, vergingen Jahrzehnte.
    Ein Kindersiel, wenn man es sich genau überlegte.
    Der Museumsdirektor war während der ganzen Zeit überzeugt gewesen, dass niemand ihren Betrug aufdecken würde. Außerdem kam ohnehin niemand so nah an die Gemälde heran, dass er sich einer allzu gründlichen Betrachtung hingeben konnte. Dafür gab es Leute wie Kranzer, die verhinderten, dass jemand zu nah an ein Bild herantrat. Bisher gab es keinen Grund, sich zu sorgen. Und er hatte recht. Warum sollte jemand in den Räumen der großartigen Habsburger Kunstsammlung Verdacht schöpfen? Dies war schließlich nicht die Ausstellungshalle eines unbekannten Auktionators, sondern das Kunsthistorische Museum, der Louvre von Österreich-Ungarn. Ein Verdacht in diese Richtung war so ausgeschlossen wie der Gedanke, dass Kaiser Franz Joseph Kreidebilder auf den Platz vor der Hofburg malte und darauf Hüpfspiele veranstaltete. Absolut abwegig.
    Doch Joseph und Julius Pawalet schienen eine besondere Gabe zu besitzen, so dass sie spürten, was der große Gustav Kinsky und sein Stammkopist Grimminger seit Jahrzehnten veranstalteten. Diese beiden, vor allem aber der junge Pawalet, schienen von Anfang an gewusst zu haben, was es mit den Alten Meistern im Kunsthistorischen Museum auf sich hatte.
    Warum nur war ihnen diese Familie Pawalet in die Quere gekommen? Waren sie Vorboten des Endes? Die Krieger, die Kinskys und Schattenbachs falsches Spiel beenden würden? Grimminger war vernünftig genug, um zu wissen, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, aufzuhören.
    Und deswegen störte es ihn auch nicht, dass die Medusa sein bisher schlechtestes Werk war. Nun, es war eine hervorragende Fälschung. Aber nur, was das malerische Handwerk betraf. Er hatte die Farben von Anfang an dunkler angerührt, um dem Werk das künstliche Alter zu verleihen. Er hatte das Bild genauso grundiert und vorgezeichnet, wie es aus der Werkstatt von Peter Paul Rubens überliefert war. Er hatte das Gemälde tagelang mit der Lupe studiert und analysiert und sich für die Ausführung viel Zeit genommen. Zu viel Zeit, wie der Hofrat fand. Denn nun blieb keine Zeit mehr, um das Gemälde wirklich alt zu machen.
    Das mit der künstlichen Rissebildung würde sicher schiefgehen. Die Farbe war viel zu frisch und würde auch im Ofen nicht hinreichend aushärten. Auf der Rückseite konnte man sehen, dass die Leinwand neu war. Grimminger hatte sie zwar abgeschliffen und doubliert, so dass er im Zweifelsfalle sagen konnte, dass dies eine notwenige restauratorische Maßnahme war, doch ein Experte würde auf den ersten Blick sehen, dass das Gemälde auf zwei unterschiedlich großen Keilrahmen aufgespannt gewesen war.
    Das alles nagte an ihm und lastete auf seinem Gewissen. Und das war auch der Grund, warum er aussteigen wollte. Es war nicht mehr vereinbar mit seiner Ehre, einen solchen Schund abzuliefern. Sollte Kinsky doch allein dafür geradestehen, wenn eines Tages jemand fragte, warum die

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