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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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immer noch geöffnet. Er hastete hindurch und verbarg sich im Schatten der Torflügel. In diesem Bereich des Museums war er nie gewesen. Über ihm spannte sich ein schlichtes Gewölbe, zwei schmale Treppenaufgänge führten zu verschlossenen Türen. Die Kutsche hatte ein Stück weiter im ersten Innenhof gehalten. Der Verschlag wurde geöffnet und eine dunkle Gestalt stieg aus. Der massige Leib schob sich aus dem Gefährt wie ein wachsendes Geschwür. Dann stand der Hofrat im Schnee und marschierte auf den Lichtstreifen zu, der aus einer der Türen zum Hof schien. Julius hätte sich gern ein wenig näher herangeschlichen, aber vor ihm lag eine zu große freie Fläche. Oder sollte er bis zum nächsten Hof huschen und sich dort verstecken? Auf einmal verließ ihn der Mut. Was, wenn er etwas beobachtete, was seinen Verdacht bestätigte? Was konnte er tun? Wie konnte er es verhindern? Er bereute schon, dass er sich ohne Lischka aufgemacht hatte, und beschloss dennoch, ein Stück weiter vor zu hasten, damit er besser sehen konnte. Rasch löste er sich aus dem Schatten des Torflügels und rannte lautlos zu dem Bereich, in dem der überwölbte Vorhof in den ersten Innenhof überging. Dort wartete die Kutsche.
    Hinter dem Hofrat stiegen zwei weitere Männer aus. Julius beachtete sie nicht weiter, sondern starrte auf den hellen Lichtstreifen vor der Tür. In diesem Moment löste sich ein unförmiger Schatten aus der Tür, der mit etwas Großem, Kastenförmigem beladen zu sein schien. Als er Kinsky erblickte, fühlte Julius sich in seinem Verdacht bestätigt, dass ein Gemälde weggebracht wurde. Der Museumsdirektor schwankte. Er stellte den länglichen Kasten ab, und Julius hörte ihn stöhnen. Irgendwo im Hinterkopf nahm er die Schritte wahr, doch er war so gebannt von der Szene vor der Hintertür, dass er nicht darauf achtete.
    Er sah, dass der Kasten eine große schmale Holzkiste war, mit Seilen umwickelt und mit einer Art metallenen Versiegelung an der Seite. Julius schätzte die Längsseite auf etwas mehr als einen Meter und die Höhe auf eine gute Armlänge. Zusammen mit dem Rahmen war Rubens’ Medusa von beachtlicher Größe gewesen, doch wenn man den Rahmen abzog, dann mochte das Gemälde genau in diese Kiste passen.
    Er beobachtete, wie Kinsky sich auf die Stufe vor der Hintertür sinken ließ. Der Museumsdirektor stieß seltsame weinerliche Laute aus, die dem Hofrat zu gelten schienen. Der Hofrat beachtete Kinsky nicht weiter, sondern nahm eine kleine Mappe aus der Manteltasche und hielt sie diesem hin. Darin musste sich der auf Papierscheine gedruckte Gegenwert für Rubens’ Meisterwerk befinden. Der Museumsdirektor schüttelte den Kopf. Auf diese Entfernung sah es so aus, als wackle eine missgestaltete Puppe mit einem mechanischen Kopf, der nicht zu ihrem Körper passte. Eine Weile hielt von Schattenbach das Mäppchen in der Hand, dann ließ er es achtlos in den Schnee fallen, trat zur Seite und hievte den Holzkasten hoch, als wäre es ein Stück Sperrholz, drehte sich um und marschierte damit zurück zur Kutsche. Einer der Männer kam ihm auf halbem Wege entgegen und nahm ihm die Kiste ab. Die ganze Zeit war kein Laut zu hören gewesen, nur das leise Wimmern des Direktors.
    Julius’ Blick huschte zwischen diesem und dem Hofrat hin und her. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass seine Füße auf dem gefrorenen Untergrund inzwischen völlig taub waren. Doch in diesem Moment schoss ein rasender Schmerz durch seinen Kopf und riss ihn zu Boden. Er spürte kalten Schnee in seinem Ohr und fragte sich einen endlosen Augenblick lang, warum sich der Raum verschoben hatte wie eine Pappkulisse, die langsam zusammenklappte.
    Oben und unten verschwamm zu einem trägen Wirbel, und Julius wusste plötzlich nicht mehr, wie man die Augen schloss. Er hätte es gern getan und wäre gern dem Gefühl entronnen, dass sein Schädel ein rohes Ei war, das immer wieder zerplatzte, aber es gelang ihm nicht. Ein Gesicht schob sich in sein verzerrtes Blickfeld, und er hörte eine Stimme.
    „Ich hab doch gleich gewusst, dass du ein Problem bist.“
    Die schmale Verbindung, die er noch zur Welt hatte, sagte ihm, dass dies die Stimme und das Gesicht von Louis Kranzer sein mussten. Dann stürzte sich ein tintenschwarzer Krake auf ihn und begrub ihn unter sich.
    ***
    Der Obduktionssaal in der Sensengasse war ein Ort, der Rudolph Lischka so vertraut war wie anderen Menschen die Wäscherei oder der Lebensmittelladen. Er hatte schon oft die

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