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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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verschiedene Flaschen mit allen möglichen Ölen gefunden und Tiegel mit Pigmenten“, begann er hoffnungsvoll.
    Blauenstein zuckte mit den Schultern. „Das beweist nur, dass er seine Farben nach den Rezepturen der alten Maler selbst angerührt hat, anstatt fertige zu kaufen“, erwiderte er. „Das kann von Perfektionismus zeugen, mehr aber auch nicht.“
    Julius schluckte. Der Schweiß rann ihm über den Rücken. Fieberhaft versuchte er sich die Gegenstände in Grimmingers Werkstatt ins Gedächtnis zu rufen.
    „Er hatte Schmirgelpapier …“ Blauenstein nickte. „Und einen ganzen Eimer voller schwarzem Staub und Dreck.“
    Julius schluckte und warf einen Blick auf den Kaiser. Er erschrak. Franz Josephs Kopf ruhte auf der Brust, und der Blick des Monarchen war gesenkt, als würde er der Befragung gar nicht mehr folgen.
    „Staub und Dreck!“, schnaubte Kinsky. „Na und? Das beweist wohl nur, dass Grimminger keine Putzfrau hat, die in seinem Atelier den Dreck wegräumt!“
    Julius fuhr unbeirrt fort: „Ich habe ein Wassergefäß entdeckt, in dem ein Haufen Nägel lagen. Rostige Nägel …“
    Blauenstein sah Julius aufmerksam an. „Was noch?“
    „Einen sehr großen Backofen mit mehreren Schienen.“
    „Aha. Haben Sie auch Chemikalien gesehen?“
    Julius zuckte die Schultern. Er erinnerte sich nicht. „Na ja … Wachse und Harze waren dabei. Und ich habe Kaffeepulver gesehen.“
    Blauenstein winkte ab. „Lassen wir das. Ich denke, wir müssen veranlassen, dass ein paar Fachleute auf diesem Gebiet die Werkstatt durchforsten. Ein paar Dinge, die Sie genannt haben, hören sich tatsächlich etwas verdächtig an, aber das müssen wir hier nicht besprechen.“
    „Was soll denn das!“, krähte Kinsky unleidlich aus seiner Ecke. „Otto Grimminger hat natürlich alles getan, was notwendig ist, um Bildern eine möglichst authentische Wirkung zu geben. Er hat mir selbst erzählt, dass er dazu manchmal verschiedene Kunstgriffe angewandt hat.“
    „Und warum?“, hakte Blauenstein nach. „Was hat er mit den Kopien eigentlich gemacht? Wo sind sie? In der Akademie, als Lehrstücke? Oder hat er sie daheim gehortet, oder gar verkauft?“
    „Das weiß ich nun wirklich nicht. Das ist seine Privatsache!“, entgegnete Kinsky.
    Blauenstein nickte geduldig und wandte sich wieder an Julius.
    „Herr Pawalet, bitte sagen Sie mir, wie Sie überhaupt auf die Idee gekommen sind, dass Otto Grimminger Gemälde aus dem Museum fälschen könnte. Soweit ich informiert bin, sind Sie ein einfacher Saaldiener gewesen und haben keinerlei kunsthistorische Vorbildung.“
    Julius holte tief Atem und hoffte, dass das, was er sagen wollte, Blauenstein überzeugen würde. Zugleich beschloss er, alles, was er über seinen Vater erfahren hatte, zu verschweigen. Doch neben allen Verdachtsmomenten, die die geheimnisvolle Lupe und der Lebenslauf seines Vaters in ihm geweckt hatten, gab es nur einen einzigen Grund für sein tiefes Misstrauen: „Ich weiß, dass eine Kopie nur dann keine Fälschung ist, wenn es in einem anderen Maßstab gemalt wird als das Original.“
    Blauenstein nickte anerkennend. „Nun, ich weiß, dass Otto Grimminger den Rubens in einem deutlich kleineren Maßstab kopiert hat, das ist wahr …“
    „Natürlich hat er das!“, rief Kinsky. „Ich erlaube auch nicht, dass in meinem Museum gefälscht wird!“
    Julius fuhr ungerührt fort. „Doch dann habe ich einmal näher hingesehen, und mir ist etwas Seltsames aufgefallen. Grimminger hat zwar in einem kleineren Maßstab kopiert, aber der Bildausschnitt, den er kopiert hat, also das abgeschlagene Haupt der Medusa und die Schlangen ringsum, stimmten vollkommen mit dem auf dem Original überein. Er hatte nur auf ein breites Stück des Hintergrundes verzichtet und den Rand um einige Zentimeter beschnitten. Aber der Mittelgrund war genauso groß wie bei Rubens. Und da habe ich mich gefragt, was wäre, wenn seine Leinwand in Wirklichkeit viel größer ist und nur über einen kleineren Keilrahmen gespannt wird, ohne Nagelung, versteht sich. Wenn … wenn …“
    Er geriet ins Stocken, als er die ungläubigen Gesichter der Männer wahrnahm. „Wenn diese Leinwand eigentlich so groß ist wie das Original und am Ende auf einen Keilrahmen gespannt wird, der ebenfalls den Maßen des Originals entspricht? Dann könnte Grimminger den Rest des Bildes einfach dazu malen, und schon hätte er eine Kopie im Format der echten Medusa . Man müsste allerdings die Abdrücke des alten, kleineren

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