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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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Kinsky freundlich. Doch im nächsten Moment wurde seine Stimme kalt. „Sie übertreiben es. Ihr Vater war genauso. Er klebte auch immer mit der Nase an den Gemälden und hat mit seiner lächerlichen kleinen Lupe hantiert. Ein Erbstück, nehme ich an?“
    Julius wunderte sich, dass der Museumsdirektor auf einmal so abfällig über den Alten sprach. Er ließ die Lupe in seiner Jackentasche verschwinden. Kinskys Augen flackerten. Julius hatte nur eine Vermutung. „Hat Otto Grimminger sich über mich beschwert?“, fragte er zaghaft.
    Kinsky nickte knapp. „Ich weiß, dass Sie den Kopisten nicht ausstehen können, auch wenn mir schleierhaft ist, warum. Vielleicht stört es Sie, dass er ein Talent hat, das Sie auch gern hätten. Und ich weiß auch, dass Sie nicht einfach bloß jemand sind, der die alten Meister schätzt. Sie wissen wesentlich mehr über Kunst, als Sie zugeben!“
    „Was gibt es da zuzugeben?“, fragte Julius unschuldig. Diese absurde Anklage hätte ihn belustigt, wenn Kinsky nicht so böse ausgesehen hätte.
    „Sie!“, rief der Direktor und bohrte Julius seinen wulstigen Zeigefinger in die Brust. „Sie müssen nicht länger so unschuldig tun!“ Dann presste er plötzlich die Hände an die Schläfen, als müsste er mit aller Macht seine Würde zurückerobern. Er sah Julius an und sagte mit gesenkter Stimme: „Sie haben mir nicht gesagt, dass sie mehr mit Ihrem Vater gemeinsam haben als nur das Blut und den Hang zum Unglück.“ „Darf ich fragen, warum … warum Sie mich für etwas rügen, was Sie an ihm … geschätzt haben?“, stammelte Julius.
    Kinsky verzog das Gesicht. „Ich habe ein Recht zu wissen, wie gut Sie sich auskennen!“
    Er hörte sich an wie ein Kind, das seine Eltern anklagt, weil sie ihm verschwiegen haben, dass es in Wahrheit gar keinen Weihnachtsmann gab. Kinskys Augen bekamen wieder einen lauernden Ausdruck. „Glauben Sie bloß nicht, dass Sie mich an der Nase herumführen können!“
    Die Putzfrau steckte den Kopf zur Tür herein und fragte, wann sie den Saal reinigen dürfe.
    „Reiten Sie auf Ihrem verdammten Besen woanders hin, Weib! Sehen Sie nicht, dass Sie hier stören!“, schrie Kinsky die Frau an, die augenblicklich den Kopf zurückzog wie eine Maus, die zwischen den Bodenbrettern verschwand.
    Julius hatte Kinsky noch nie zuvor so aufgebracht erlebt. Das Blut schoss diesem in die Wangen, und seine wässrigen Augen schienen überzulaufen.
    „Dann entlassen Sie mich jetzt sicher, oder?“ Er hoffte, dass Kinsky ihm seine Furcht vor einem Rauswurf nicht anmerkte.
    „Nein, nein!“, winkte der Direktor beschwichtigend ab. Doch sein Gesicht war kurz davor, die Farbe seiner Krawatte anzunehmen. „Es gibt keinen Grund, Sie zu entlassen, Pawalet. Allenfalls verbanne ich Sie in die ägyptische Sammlung im ersten Stock! Dann müssen Sie die antiken Statuen und die Mumien bewachen und nicht mehr die Gemälde …“ Jetzt lächelte er jovial und schlug Julius auf die Schulter. Es sollte wohl eine freundschaftliche Geste sein, doch Julius wich zurück. Der Museumsdirektor räusperte sich umständlich. „ Ich kann es einfach nur nicht leiden, wenn man mich im … Ungewissen lässt. Ich wüsste gern, wer von meinen Mitarbeitern nur ein einfacher Saaldiener und wer ein halber Kunsthistoriker ist, so wie … Ihr Vater.“
    „War es das, was Sie an meinem Vater nicht leiden konnten? Musste er deswegen sterben?“, brach es aus Julius heraus.
    Eigenartigerweise blieb Kinsky ganz ruhig. Gleichzeitig schwand jegliche Farbe aus seinen fleischigen Wangen. Jetzt sah er aus wie ein dickes Gespenst in einem Clownsanzug. Er seufzte tief und sah Julius erschöpft an.
    „Pawalet, ich freue mich, dass Sie hier an einem Ort sind, der Ihren Neigungen entspricht. Entschuldigen Sie bitte. Ich habe mich überrumpelt gefühlt durch Ihre wahre Kenntnis.“
    „Hat Kranzer Ihnen das gesteckt?“
    „Das tut nichts zur Sache. Ich weiß nur, dass Sie sehr wohl in der Lage sind, ein spanisches Barockstück von einem italienischen Renaissancegemälde zu unterscheiden.“
    Julius lachte. „Na, dann befördern Sie mich doch zum Kustos!“
    Kinsky ging nicht ein auf den Scherz. Er sank in sich zusammen. Er schien plötzlich von einer tiefen Müdigkeit übermannt zu werden. „Sie sind ein Idealist, Pawalet junior“, sagte er, jetzt wieder mit freundlicher Stimme. „Ich weiß nichts über Sie, aber offensichtlich bedeutet Ihnen die Kunst sehr viel. Joseph hat mir oft erzählt, wie sehr Sie diese

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