Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien
an. Jetzt würde es passieren. Jetzt würde sich der wahre Grund für ihren Krankenbesuch offenbaren. Julius lag steif wie ein Brett da, erhitzt und aufgeregt wie vor einer Prüfung. Würde sie ihn wieder prüfen?
Da raunte sie: „Julius, haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen lege?“
Julius schrak heftig zusammen. Sich zu ihm legen? Dieser verschleierte, unerträglich schemenhafte Leib? Luise schien keine Antwort erwartet zu haben. Also lüpfte sie die Decke und glitt neben ihn.
Ein fremdartiges Tier glitt neben ihn. Ein warmes, biegsames, samtiges, schreckliches Tier glitt neben ihn. Und weil das Bett sehr schmal war, musste sie sich eng an Julius schmiegen und schob eine Hand unter die Decke und … fand ihn. Ihre Finger umschlossen ihn, und Julius spürte die selbstverständliche Härte ihrer Hand. Er hielt den Atem an.
„Julius, Sie sind in einer denkbar schwierigen Lage“, flüsterte sie.
Die Schläfe an ihre Stirn gelegt, nickte er vorsichtig. Sie seufzte scheinbar bekümmert und fuhr mit den Fingern über die heiße, trockene Landschaft zwischen seinen Schenkeln.
„Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, mein lieber Freund. Und danach werde ich gehen. Vielleicht sehen Sie mich nie wieder. Vielleicht werde ich Sie aber wieder zu mir rufen, wenn es mir beliebt. Das hängt ganz von Ihnen ab.“
Julius spürte das durchlässige, feine Gewebe neben sich und dahinter die Festung ihres Körpers. Er würde diesen Körper nicht berühren, das wusste er. Sie berührte ihn. Und er ließ es geschehen. Sie drückte einmal fest zu, so dass ihm ein lautes Stöhnen entfuhr.
„Machen Sie sich keine Illusionen darüber, wer hier einen freien Willen hat. Seien Sie versichert, Sie sind es nicht!“
Ihr Flüstern bohrte sich in seinen Kopf und verklebte seine Gedanken. Ein weicher, seidenverhüllter Fuß strich an seiner Wade entlang wie eine Schlange.
Sie löste die Hand nicht von ihm, und Julius fühlte sich wie jemand, der gefoltert wird, damit man ihm ein Geheimnis entreißen konnte oder um ihn zu etwas zu zwingen. Nur dass Luises Wahl der Mittel weitaus schlimmer war als das plumpste aller Folterwerkzeuge. Was auch immer sie von ihm wollte – mit diesen Mitteln würde sie nicht lange darauf warten müssen. Aber vielleicht würde er ihr gar nicht zuhören können. Denn im Moment wollte er einfach nur, dass ihre Hand ihm weiter weh tat.
„Julius, Sie haben sich in eine unmögliche Lage gebracht, das wissen Sie ja. Wenn das so weitergeht, mit Ihrem scharfen Gespür für den falschen Ort und die falsche Zeit, dann werden Sie sich irgendwann in ein Netz hineinmanövrieren, aus dem Sie nicht mehr herauskommen.“
„Und dieses Netz … haben Sie gesponnen?“
„Das tut nichts zur Sache. Sie werden über meine Person nichts erfahren. Glauben Sie, nur weil ich hier unter dieser Decke liege, können Sie irgendwelche Fragen an mich stellen?“
„Warum sind Sie denn unter … meiner Decke?“, wisperte er.
„Nicht, weil ich Ihre Komplizin bin.“
Ein besonders rauher, harter Griff ließ ihn aufjaulen. Danach löste sie ihre Finger und begann, ihn sanft zu massieren, und Julius entspannte sich wieder.
„Bilden Sie sich bloß nicht ein, Sie könnten irgendwie hinter die Geheimnisse kommen. Geben Sie es auf“, zischte sie.
Seltsam, dachte Julius, genau das Gleiche hatte Dr. Kinsky ihm auch eingeschärft.
„Sie … Sie drohen mir!“, stieß Julius hervor. Der Zustand seiner Lenden glich einem einzigenangehaltenen Atem. Er war kurz davor, ihn auszustoßen.
„Ganz recht, Julius, ich drohe Ihnen. Ich sage es nur einmal, Sie kleiner Kunstexperte: Wenn Sie weitersuchen, nach was auch immer Sie da glauben zu suchen, wird das Ganze irgendwann einmal nicht mehr in einem Krankenhausbett enden.“
Sie packte ihn wieder fester, und auch sein übriger Körper erstarrte und wurde hart. Er lag hier mit einer Frau, die er mit jeder Faser seines Leibes begehrte, obwohl er wusste, dass sie wahrscheinlich so harmlos und anschmiegsam war wie ein Skorpion. Aber Luises Gift wirkte bereits.
„Hör zu, Julius!“ Sie drängte sich noch dichter an ihn und ließ den kümmerlichen Rest von Förmlichkeit fallen. „Du bist ein Nichts, Pawalet. Es wird ein Leichtes sein, dich erblinden zu lassen. Und dann wirst du wieder dahin zurückfallen, wo du her gekrochen bist. In den Dreck. In das Nichts!“
Im selben Moment riss sie die Hand von seinem Geschlecht, und eine Sekunde später ergoss Julius sich in die Laken und zuckte
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