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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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wie … wie hat er sie umgebracht?“
    „Erschlagen. Ein kurzer, sehr heftiger Schlag in den Nacken. Wahrscheinlich mit einem schweren Metallgegenstand. Den Hund hat er wohl erstickt.“
    Lischka spulte diese Informationen mit kühler Routine herunter. Aber in seinen starren Augen sah Julius den Schrecken, den dieser neue Mord in ihm auslöste.
    „Es durfte kein Blut fließen, sonst wäre das Bild zerstört worden. Und er wählte den Mann seiner langen Haare wegen aus“, vermutete Julius.
    Lischka nickte.
    „Ja, allzu viele Männer mit solchen Muskeln und mit langen Haaren gibt’s nicht in Wien, glaube ich.“
    „Aber woher wusste er das? Meinen Sie, er hat eine solche Varieté-Vorstellung gesehen und sich entschieden, dass der Mann Gegenstand dieses Bildes werden soll? Es ist alles zu perfekt. Die blonde Frau, der kleine Hund, die langen Haare. Woher kannte er diese Details?“
    Lischka zuckte die Schultern. „Die Polizei ermittelt noch in dem Zelt, in dem sie unter Vertrag standen. Der Mörder muss die beiden gekannt haben. Oder zumindest muss er einen sehr genauen Einblick in ihre Verhältnisse gehabt haben. Momentan tappen meine ehemaligen Kollegen im Dunkeln, aber das ist nicht mehr mein Problem.“
    „Was soll das heißen?“, fragte Julius. Ihm kam ein unangenehmer Verdacht.
    „Leutnant Tscherba von der k. u. k. Schlosswache leitet jetzt die Ermittlungen. Ich bin draußen.“
    „Man hat Sie entlassen?“, fragte Julius entsetzt.
    „Nicht entlassen“, brummte Lischka. „Aber man hat mich von diesem Fall abgezogen. Ich bin anscheinend eine Schande für den Wiener Polizeiapparat, und mit mir als leitendem Ermittler würde der Täter bis in alle Ewigkeit weitermorden. Ich habe an den falschen Stellen ermittelt, den falschen Leuten die falschen Fragen gestellt. Los, bestellen Sie noch zwei Trebern.“ Ein bitterer Zug legte sich um Lischkas Mund.
    Fahrig winkte Julius den Ober herbei. „Ja, aber heißt das, Sie dürfen in diesem Fall überhaupt nicht mehr ermitteln?“
    Lischka schüttelte sarkastisch grinsend den Kopf. „Nein, ich soll mich aus dieser Sache raushalten. Der Polizeiminister hat mich auf Empfehlung Tscherbas außer Dienst gesetzt. Und wissen Sie, was das Schönste daran ist? Ich habe mir das sogar gewünscht! Ich habe mir gewünscht, dass sie mir den Fall entziehen, damit ich mich nicht mehr mit diesem mordenden Künstler herumschlagen muss. Und jetzt wünsche ich mir, ich hätte es mir nicht gewünscht.“
    Lischka kippte ein weiteres Glas Tresterbrand und schnappte sich den Punschkrapfen und biss grimmig hinein.
    Julius beobachtete ihn. Lischkas Gesicht glich einer Fratze. Die Brauen gerunzelt, kaute er voller Erbitterung. Dieser Mann hat einen alten Schmerz in sich, dachte Julius. Nicht nur die aktuellen Ereignisse waren Grund, dass der Mensch da vor ihm so zerstört war, sie waren nur der Auslöser. Plötzlich erkannte Julius, dass Lischka, genau wie er selbst, an einem Abgrund stand. Dass er nicht wusste, wie sein Leben weitergehen sollte. Er legte dem Inspektor die Hand auf den Arm und fragte: „Wie geht es jetzt weiter für Sie, Lischka?“
    „Ach, hören Sie doch auf. Nennen Sie mich Rudolph.“
    „Wie geht es jetzt weiter für dich, Rudolph?“
    Sein Gegenüber blickte auf und versuchte ein schiefes Lächeln.
    „Ich schätze mal, ich bin nicht besser dran als du. Ich habe zwar einen Beruf und dann auch wieder nicht.“
    Julius nickte nachdenklich und nippte an seinem Kaffee. „Was wird deine Frau dazu sagen?“, fragte er dann vorsichtig.
    „Ich habe keine Frau.“
    „Und der Ring an deinem Finger?“
    „Der ist nur dazu da, dass andere Weibsbilder sehen, dass sie mich in Ruhe lassen sollen. Ich bin immer noch verheiratet. Mit einer Toten.“
    Julius erschrak. Das war also der Schmerz, an dem Rudolph Lischka litt.
    „Seit wann?“, fragte er leise.
    „Seit zwei Jahren. Es ist noch nicht besser geworden. Wenn ich jetzt nach Hause gehe, wartet ihre Abwesenheit auf mich.“
    „Schlaf heute Nacht bei mir, Rudolph. Ich habe noch ein Kanapee. Und in meiner Wohnung wartet eine sehr interessante Information auf dich.“
    Doch Lischka schien ihm gar nicht zuzuhören. Er trank noch ein viertes Glas Trebern und starrte hinauf zu den gold-weißen Stuckverzierungen an der Decke, als läge dort die Antwort auf seine drängendsten Fragen.
    „Julius, diese Stadt geht vor die Hunde. Unser Mörder ist nur ein Krebsgeschwür, das zu groß geworden ist, als dass man es noch verstecken

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