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Das Sterben in Wychwood

Das Sterben in Wychwood

Titel: Das Sterben in Wychwood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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bei der Tür des Majors angelangt; er öffnete sie – sie war übrigens nicht versperrt –, und sie betraten das Haus. Der Major ging voran in ein kleines Zimmer, das etwas nach Hund roch und dessen Wände entlang Bücherregale standen. Der Major bereitete die Drinks. Luke sah sich um. Es gab dort Fotografien von Hunden, Sportzeitschriften und ein paar stark abgenutzte Lehnsessel. Silberne Becher standen aufgereiht auf den Regalen. Über dem Kamin hing ein Ölgemälde.
    «Meine Frau», sagte der Major, von seiner Beschäftigung aufsehend und der Richtung von Lukes Blick folgend. «Eine großartige Frau. Viel Charakter in ihrem Gesicht, finden Sie nicht?»
    «Ja, wirklich», sagte Luke und betrachtete die verstorbene Mrs Horton.
    Sie trug auf dem Bild ein rosa Atlaskleid und hielt einen Strauß Maiglöckchen in der Hand. Ihr braunes Haar war in der Mitte gescheitelt, und ihre Lippen waren fest aufeinandergepresst. Die Augen, von einem kalten Grau, blickten dem Beschauer verdrossen entgegen.
    «Eine ausgezeichnete Frau», sagte der Major, während er Luke ein Glas reichte. «Sie ist vor über einem Jahr gestorben. Ich bin seitdem nicht mehr derselbe Mensch.»
    «Nein?» Luke wusste nicht recht, was er sagen sollte.
    «Nehmen Sie Platz.» Der Major deutete auf einen der Stühle. Er selbst setzte sich auf den zweiten und wiederholte, seinen Whisky-Soda trinkend:
    «Nein, ich bin seitdem nicht mehr derselbe Mensch.»
    «Sie müssen sie schrecklich vermissen», meinte Luke verlegen.
    Major Horton schüttelte düster den Kopf:
    «Der Mensch braucht eine Frau, um auf der Höhe zu sein, sonst wird er schlapp – ja, schlapp. Er lässt sich gehen.»
    «Aber sicher – »
    «Mein Junge, ich weiß, wovon ich rede. Merken Sie sich das, ich will nicht behaupten, dass die Ehe einen zuerst nicht hart hernimmt; das tut sie schon! Man sagt sich selbst, hol’s der Teufel, ich darf ja gar keinen eigenen Willen mehr haben! Aber man fügt sich. Es ist alles eine Frage der Disziplin.»
    Luke dachte, dass das Eheleben des Majors mehr einem militärischen Feldzug als einem häuslichen Idyll geglichen haben musste.
    «Die Frauen», sprach der Major weiter, «sind merkwürdige Geschöpfe. Manchmal scheint es, als könne man ihnen nichts recht machen. Aber, weiß Gott, sie halten einen auf der Höhe.»
    Luke bewahrte achtungsvolles Schweigen.
    «Sind Sie verheiratet?» fragte der Major.
    «Nein.»
    «Ah, Sie werden es auch noch packen. Und, wie gesagt, mein Junge, da geht nichts darüber.»
    «Es ist immer erfreulich», entgegnete Luke, «jemanden gut vom Ehestand sprechen zu hören. Besonders in diesen Zeiten der leichten Scheidungen.»
    «Pah!» brummte der Major. «Die jungen Leute sind nichts wert! Keine Geduld, keine Ausdauer, keine Kraft!» Luke hätte gern gefragt, wozu denn solch außerordentliche Kraft benötigt würde, beherrschte sich jedoch.
    «Lydia war eine Frau unter Tausenden – unter Tausenden! Jedermann achtete sie und blickte zu ihr auf.»
    «Ja?»
    «Sie konnte keinen Unsinn vertragen. Sie hatte eine Art, jemanden zu fixieren, dass der Betreffende gleich Bescheid wusste. Ein paar von diesen unreifen Mädchen, die sich heutzutage Hausgehilfinnen nennen und glauben, man muss sich jede Frechheit gefallen lassen! Lydia hat es ihnen aber rasch gezeigt! Wissen Sie, dass wir fünfzehn Köchinnen und Stubenmädchen in einem Jahr hatten – fünfzehn!»
    Luke fand, dass das kaum ein Lob für Mrs Hortons Talent als Hausfrau war, doch da der Hausherr es anscheinend anders sah, murmelte er nur irgend etwas Undeutliches.
    «Warf sie einfach hinaus, wenn sie ihr nicht passten.»
    «Und war es immer auf diese Art?» fragte Luke.
    «Nun, natürlich gingen auch eine Menge freiwillig. ‹Gut, dass wir sie los sind›, pflegte Lydia zu sagen!»
    «War das nicht manchmal etwas unbequem?»
    «Ach, mir machte es nichts, selbst mit anzupacken», sagte Horton. «Ich kann recht gut kochen und glänzend Feuer anmachen. Um das Abwaschen habe ich mich ja nie gerissen, aber natürlich muss es auch sein – dem kann man nicht entgehen.»
    Luke stimmte zu und fragte, ob Mrs Horton tüchtig in häuslichen Arbeiten war.
    «Ich bin nicht der Mensch, der sich von seiner Frau bedienen lässt», sagte Major Horton. «Überhaupt war Lydia viel zu zart, um Hausarbeit zu verrichten.»
    «Sie war nicht kräftig?»
    Major Horton schüttelte den Kopf.
    «Sie hatte einen so starken Geist. Sie gab nicht auf! Aber wie diese Frau gelitten hat! Und dabei kein

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