Das Sterben in Wychwood
Portwein gegen das Licht haltend und hindurchschielend. «Hab ich’s Ihnen gestern abend nicht gesagt?»
«Ja, gewiss.»
«Und Sie sehen, dass ich recht hatte! Es ist erstaunlich, wie oft ich recht habe!»
«Das muss wundervoll sein für Sie», sagte Luke.
«Ich habe immer ein wundervolles Leben gehabt – ja, ein wundervolles Leben! Mein Lebensweg wurde für mich geebnet. Ich hatte immer viel Vertrauen in die Vorsehung und einen starken Glauben. Das ist das Geheimnis, Fitzwilliam, das ist das Geheimnis.»
«Ja.»
«Ich bin ein gläubiger Mensch. Ich glaube an das Gute und das Böse und an die ewige Gerechtigkeit. Es gibt eine göttliche Gerechtigkeit, Fitzwilliam, daran ist nicht zu zweifeln!»
«Ich glaube auch an die Gerechtigkeit», sagte Luke.
Wie gewöhnlich interessierte sich Lord Whitfield nicht für den Glauben anderer Leute.
«Tue recht, und dein Schöpfer wird dir Recht widerfahren lassen! Ich war immer ein rechtschaffener Mensch. Ich habe für die Wohltätigkeit gespendet und mein Geld auf ehrliche Weise erworben. Ich bin keinem Menschen verpflichtet! Ich stehe allein.»
Luke unterdrückte ein Gähnen.
«Gewiss – gewiss.»
«Es ist merkwürdig – ganz merkwürdig», fuhr Lord Whitfield fort, «wie die Feinde eines rechtschaffenen Mannes vernichtet werden! Nehmen Sie nur diesen Burschen – schmäht mich, geht sogar so weit, die Hand gegen mich erheben zu wollen. Und was geschieht? Wo ist er heute?»
Er machte eine rhetorische Pause und antwortete sich dann selbst mit eindrucksvoller Stimme:
«Tot! Zerschmettert vom göttlichen Zorn!»
«Eine etwas harte Strafe für ein paar übereilte Worte, verursacht durch ein paar Glas Wein zuviel.»
Lord Whitfield schüttelte den Kopf.
«Es ist immer so! Die Vergeltung kommt rasch und schrecklich. Erinnern Sie sich doch an die Kinder, die Elias verspotteten – die Bären kamen und verschlangen sie. So geschehen die Dinge, Fitzwilliam.»
«Ich fand das immer übertrieben rachsüchtig.»
«Nein, nein. Sie betrachten das auf die falsche Weise. Elias war ein großer und heiliger Mann. Niemand durfte ihn verspotten und weiterleben! Ich verstehe das, weil mein Fall ähnlich liegt!»
Luke sah etwas verständnislos drein.
Lord Whitfield senkte die Stimme.
«Ich konnte es anfangs auch kaum glauben. Aber es geschah jedes Mal! Meine Feinde und Verleumder wurden niedergeworfen und ausgerottet.»
«Ausgerottet?»
Lord Whitfield nickte ruhig und nahm einen Schluck Portwein.
«Ein um das andere Mal. Genau wie bei Elias. Ein kleiner Junge – ich erwischte ihn einmal hier in den Gärten – er war damals bei mir angestellt – und wissen Sie, was er tat? Er ahmte mich nach – mich 1 . Verspottete mich. Stolzierte vor Zuschauern auf und ab, verhöhnte mich auf meinem eigenen Grund und Boden! Wissen Sie, was ihm geschehen ist? Keine zehn Tage danach fiel er aus einem Fenster und war tot!
Dann dieser Kerl, dieser Carter – ein Trunkenbold mit einer giftigen Zunge. Er kam her und stieß Beschimpfungen gegen mich aus. Was geschah? Eine Woche später war er tot – erstickt im Schlamm.
Dann war da noch ein Dienstmädchen, sie erhob ihre Stimme und wurde frech mir gegenüber. Ihre Strafe ließ nicht auf sich warten, sie trank irrtümlicherweise Gift! Ich könnte Ihnen noch eine Menge Fälle nennen. Humbleby wagte es, sich mir im Hinblick auf die Wasserversorgung entgegenzustellen; er starb an Blutvergiftung. Das geht so seit Jahren – Mrs Horton zum Beispiel war unglaublich grob mit mir, und es hat nicht lange gedauert, da starb sie.»
Er machte eine Pause und beugte sich vor, um Luke die Portweinflasche hinüberzureichen.
«Ja», sagte er. «Sie starben alle. Erstaunlich, was?»
Luke starrte ihn an. Ein ungeheuerlicher, unglaublicher Verdacht erhob sich in ihm. Mit anderen Augen starrte er auf den kleinen, fetten Mann, der da am Tisch saß, der leicht mit dem Kopf nickte und dessen helle, vorstehende Augen den Blicken Lukes mit lächelnder Unbekümmertheit begegneten.
Unzusammenhängende Erinnerungen schossen blitzartig durch Lukes Gehirn. Wie Major Horton sagte: «Lord Whitfield war sehr freundlich, schickte Trauben und Pfirsiche aus seinem Gewächshaus.» Es war Lord Whitfield, der gnädigst erlaubt hatte, dass Tommy Pierce in der Bibliothek Fenster putzen durfte. Lord Whitfield, wie er über seinen Besuch im Wellerman-Kreitz-Institut mit seinen Serum- und Bazillenkulturen berichtete – kurze Zeit vor Humblebys Tod. Alles deutete klar in eine
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