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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Verstandes,
digitalisierte die Bewegungen seiner Fingerspitzen – das
System hatte Zugang zu seinem Innersten gefunden.
     
    Die Farben verschwanden, das Spektrum wurde weiß.
Übrig blieb platonische Klarheit. Sein Gedächtnis lag
offen zutage, sämtliche Passwörter waren einsehbar.
    Test: raues Laken Meeresgeruch Mund Haar
    Test: warm trostvoll weich schaukeln la-la
    Test: Hackmesser klirren schwarz Rauch heiß bumm
Menschenmenge Gebrüll feste Umklammerung wegrennen
    Test: krank Angst geschlossener Mund Schulter schütteln
laute Stimme
    schimpfen Junge schimpfen schon gut zum Teufel mit dem
verdammten König
    Kopf singen Metallgeschmack geworfenes Buch Ohrfeige
wegrennen
    Test: Cat
    Test: Cat
    Test: Cat
    Schluss.
    Alles vorhanden, so detailliert, wie man es sich nur
wünschen konnte. Panik stieg in ihm hoch, als seine
Identität zur Erinnerung wurde; das Leben, Geschichte; seine
Persönlichkeit, Geschichte. Millionen stecknadelgroßer
Bilder, deren jedes sich (das Auge vor dem Loch, Camera obscura)
von einem Moment zum anderen in alles Mögliche verwandeln
konnte. Er versuchte, sich voll und ganz auf sich selbst zu
konzentrieren und stellte – natürlich – fest,
dass auch sein Selbst sich gewandelt hatte. Und weiter, über
seinen dahinrasenden Schatten springend, durch eine Abfolge von
Spiegeln hindurch seinem Spiegelbild nachjagend.
    Du bist ein Mann, der mit einem Gewehr auf sich zurennt KLIRR
du bist ein Mann, der mit einem Gewehr auf sich zurennt KLIRR du
bist ein Mann mit
    Ohne Gewehr, und auf einmal ist alles vollkommen
klar.
     
    Moh Kohn befand sich auf einer Waldlichtung. Auf einer
virtuellen Lichtung… Vergiss es: nimm den Schein für
das Sein. Die virtuelle Realität kann gefährlicher sein
als die Wirklichkeit. Also: ein Wald von
Entscheidungsbäumen, mit Labeln an den Zweigen. Der Boden
war logischerweise elastisch: er bestand aus lauter Leitungen.
Chips huschten auf Mehrfachstecksockeln umher. Eine Prozession
kleiner schwarzer Ameisen-Unds marschierte zielstrebig an seinen
Füßen vorbei. Etwas von der Größe und Form
einer Katze tappte herbei und rieb sich an seinem Knöchel.
Er bückte sich und streichelte ihr übers elektrisch
aufgeladene Fell. Blaue Funken sprühten. Worte flogen
zwischen den Bäumen umher, und Lügenschwärme
summten.
    Die Katze stolzierte davon. Er folgte ihr, hinaus aus dem Wald
auf eine freie Fläche. Der Untergrund war völlig eben,
und Kohn schickte sich an, sie zu überqueren. Das Gehen fiel
ihm hier ebenso schwer wie auf dem Campus. Logikbrocken lagen
herum, in unterschiedlichen Winkeln zum Boden angeordnet. Kapitel
und Verse, Spalten und Überschriften, Buchbände und
Übereinkunftsgebiete begegneten ihm unterwegs. Der Himmel
war wie der Hintergrund seines Geistes, und er vermochte ihn
nicht anzuschauen.
    Hinter einem komplizierten Gebilde trat eine Frau hervor.
Seltsamerweise trug sie einen Smartsuit; eigentlich war sie viel
zu alt für eine Kämpferin. Vor dem Hintergrund der
Annahmen, die vollkommen unbeugsam blieben, es sei denn, sie
veränderten sich ohne Vorankündigung, war sie schwer zu
erkennen. Sie nahm den Helm des Smartsuits ab und schüttelte
ihr langes weißes Haar. Die Katze setzte sich auf die
Hinterbeine.
    »Du bist hier«, sagte die Frau mit dünner
Stimme.
    »Ich weiß.«
    »Tatsächlich? Weißt du auch, dass das hier du
bist?« Sie lachte. »Weißt du, was ein
Schutzmechanismus ist?«
    »Klar. Ein Gewehr.«
    »Ausgezeichnet.«
    Sie wischte sich den Sarkasmus von den Lippen und
schüttelte ihn in kleinen Tropfen wie Rotz von den
Fingern.
    »Wer sind Sie?«, fragte Kohn.
    »Ich bin deine Feenpatin.« Sie kicherte.
»Und du hast keine Eier!«
    Sie winkte und verschwand. Kohn blickte an sich hinunter. Er
war nackt und hatte nicht bloß keine Eier, sondern war auch
weiblich. Im nächsten Moment war er eine bekleidete Frau und
trug ein tiefschwarzes Ballkleid, einen von einer schmalen
Hüfte herabfallenden Rock, langettierte Volants, die wie
Blütenblätter aus den Schultern entsprangen. Er
schleuderte einen Fächer zu Boden, der in seiner Hand
materialisiert war – die Armbewegung lächerlich
schwach, eine kindliche Geste –, packte den Rock und
schritt mannhaft aus. Nach einigen Schritten blieb er verwirrt
stehen. Dann kickte er die Obsidianschuhe fort und stapfte
weiter. Es sah ganz danach aus, als stellte er das Negativ des
Aschenputtels dar: und du gehst doch zur

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