Das Sternenprogramm
es begriffen, und er musste lachen, weil
er nicht schon eher darauf gekommen war. »Satelliten
abschießen«, sagte er.
»Ganz genau«, meinte Wilde. »Offenbar wusste
unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung tatsächlich
nicht, dass die Laserkanonen ursprünglich als ziviles
Spin-off der ABM-Systeme gefördert wurden. Es erübrigt
sich zu erwähnen, dass die Weltraumverteidigung ein besseres
Gedächtnis hat.«
»Das steckt also dahinter«, sagte Kohn.
»Glauben Sie wirklich?« Wildes Stimme klirrte;
seine Augen wurden schmal.
Kohn überlegte einen Moment, erhob sich und trat gereizt
ans Fenster.
»Nein«, sagte er. »Ich hab’s
immer noch nicht kapiert. Okay, gegen das
Verteidigungsministerium kommt man nicht an. Wenn wir das
Laserlabor bauen, zerlasern sie es. Aber die Grünen…
oh, Scheiße.«
»Was halten Sie von ihnen?«
Kohn wandte sich jäh um. »Stellen Sie sich vor,
einer von denen hat mich als ›Krautkiller‹
bezeichnet! Zum Teufel mit den Grünen und ihrer
Naziwirtschaft.« Er boxte sich auf die flache Hand.
»Schützen. Bewahren. Restriktion. Tiefenökologie.
Ich ziehe Tiefentechnologie vor. Mir machen die keine Angst. Ich
will verdammt sein, wenn ich, wenn meine Kindeskinder irgendwann
in Scheißharmonie mit der Umwelt auf der Erde
herumkriechen. Ja, bis zur nächsten Eiszeit oder dem
nächsten Asteroideneinschlag. ›Krautkiller‹,
wie? Auserwählte, ja?« Er dachte an die alten
Hänseleien. Hätte nie gedacht, dass ich…, bis
bis bis… Er atmete tief durch, schüttelte den
Kopf. »Entweder die oder wir, aber ich gehöre zum
auserwählten Volk.«
»Das glaube ich gern«, meinte Wilde. »Setzen
Sie sich, dann… kläre ich Sie über ein paar
Dinge auf.«
Kohn hörte zu und wurde erleuchtet.
›Beleuchtungsfirma‹ war offenbar ein Codename
für die Weltraumund Freiheitspartei, die militante Fraktion
der Weltraumbewegung, von der Logan vor ein paar Jahren auf der
Versammlung gesprochen hatte. Die Partei hatte Menschen mit nach
den Maßstäben konventioneller Politik divergierenden
Ansichten angezogen, die in allem außer in ihrem Engagement
für den Weltraum uneins waren: die ultimative Einheitsfront,
ohne Zugeständnisse, ohne Kompromisse, gleichwohl aber noch
mit dem verbotenen Reiz des…
»Es gibt keine Verschwörung«, sagte
Wilde.
Wie zur Bestätigung ermunterte er Kohn, seinen eigenen
Standpunkt zu verteidigen. Kohn bemühte sich vergeblich,
seine lückenhafte Vision einer sozialistischen Gesellschaft
auszumalen, die noch wilder und unreglementierter wäre als
Norlonto, freier noch als der freie Markt, eine Gesellschaft, in
der das Wissen notwendigerweise Gemeineigentum wäre und den
größten Reichtum darstellen würde, den man
uneingeschränkt miteinander teilen würde. Wilde
konterte mit seiner Vision einer Welt, worin der Markt lediglich
den Rahmen abgäbe, jedoch den einzigen Rahmen für
Lebensweisen, die so vielfältig wären wie das Spektrum
der menschlichen Neigungen; kein Sozialdarwinismus, sondern eine
darwinistische Selektion von Gesellschaften.
»Klingt so, als hätten wir das bereits«,
sagte Kohn, »bloß…«
Wilde schnaubte. »Dieses Jahrhundert«, sagte er,
»ist im gleichen Maße eine Travestie meiner
Vorstellungen, wie das vergangene eine der Ihren war. Ministaaten
anstelle von Minimalstaaten. Ha.«
»Daran sind die Weltkriege schuld«, meinte
Kohn.
»Wie… internationalistisch Sie das
ausgedrückt haben«, entgegnete Wilde. »Mir
fällt es schon schwer, einige meiner Leute davon zu
überzeugen, dass nicht allein die Deutschen schuld
sind.«
»Für Sie ist das bourgeoiser
Nationalismus.«
»Stimmt.«
»Scheint so, als würden wir uns nicht
einig.«
»Jedenfalls nicht hier. Der Weltraum wird… es
regeln.«
»Die grenzenlose Weite des Alls!«
Beide lachten.
»Eines ist gewiss«, sagte Wilde. »Die
Realität wird sich von meiner und Ihrer Utopie
unterscheiden. Das Gute am Weltraum ist, dass er die Chance
bietet, alles könnte besser werden anstatt schlechter. Kein
gelobtes Land, sondern ein neues, unendlich großes Amerika,
in dem wir die Indianer sind, in dem sich all unsere
Stämme in eine Wildnis hinein ausbreiten, und die Tauben und
das Bison bringen wir mit und säen die Wälder von Grund
auf, in Felsgestein und Eis!«
Moh nickte begeistert. »Ja, genau. Wie Engels einmal
sagte, existiert die natürliche Umwelt des Menschen noch
nicht: er muss sie erst noch
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