Das Sternenprogramm
telefonieren, ohne
abgehört zu werden.«
Janis rief ihre Geldgeber an, ein anonymer Code ohne
Regionalkennung. Als sich zu ihrer Erleichterung ein
Anrufbeantworter meldete, sagte sie, im Labor habe sich ein
Unfall ereignet, die Schäden würden behoben und sie
nehme die Gelegenheit wahr, sich ein paar Tage frei zu nehmen.
Sie unterbrach die Verbindung, bevor der Anrufbeantworter ihr
weitere Fragen stellen konnte, dann wählte sie sich in das
Universitätssystem ein, um ihre Botschaft nachträglich
wahrzumachen. Anscheinend waren der Einbruch und das Feuer als
ein und derselbe Vorfall, nämlich als gewöhnlicher
terroristischer Übergriff, registriert worden und wurden
auch dementsprechend behandelt: man hatte die
Versicherungsgesellschaft informiert, berief sich auf die mit dem
Sicherheitsdienst vereinbarten Vertragsstrafen und hatte die
Königlichen Streitmächte routinemäßig um
Vergeltung gebeten (diesem Ersuchen würde man vermutlich in
der Form nachkommen, dass man eine Bombenladung, die man ohnehin
auf irgendeinen ANR-Unterschlupf in den Bergen hatte abwerfen
wollen, als Vergeltungsmaßnahme deklarierte).
Sie schloss mit dem Kollektiv einen Vertrag zu ihrem
persönlichen Schutz ab, wofür sie die
Konventionalstrafe verwendete. Zu ihrer Erleichterung war Mohs
kleiner Haufen auf der Liste der anerkannten Dienstleister
gespeichert. Ihr nicht näher begründeter Urlaub stellte
ebenfalls kein Problem dar. Sie hatte noch Urlaub vom letzten
Jahr übrig: wie die meisten Wissenschaftler hatte sie
gewisse Schwierigkeiten mit der Vorstellung, die Arbeit ruhen zu
lassen und sich einfach frei zu nehmen.
»Gehen wir nach hinten«, sagte Moh, der mit zwei
Kaffeetassen und dem Gewehr an ihr vorbeikam, als sie gerade
auflegte. In den öffentlichen Bereichen des Hauses –
auf den Korridoren und der Treppe – sah es aus wie in einer
Burg, in der zu viele wilde Ritter gehaust hatten. An den
Wänden Waffen; durch Löcher im Putz sah man
Panzerplatten. In den Ecken lagen schussfeste Anzüge herum.
Moh stieß mit dem Ellbogen eine Tür auf,
betätigte mit dem Kinn einen Lichtschalter und trat
beiseite, um sie durchzulassen. Der Raum war klein,
angefüllt mit Metall- und Schweißgeruch und
vollgestopft mit VR-Ausrüstung: Simulatorsitze samt der
dazugehörigen Anzüge, Brillen und Handschuhe. Moh
räumte auf einem Tisch ein wenig Platz frei und rückte
zwei kardanisch aufgehängte Sessel heran.
»Sie haben was vergessen«, sagte Janis. »Die
magischen Gedächtnismoleküle.«
»Ah. Stimmt.«
Moh holte die mit Gefahrenhinweisen bepflasterte Kühlbox
mit den Drogenproben und verstaute sie in einem Kühlschrank,
der auf einem der rückwärtigen Gänge vor sich hin
summte.
»Ist es hier auch wirklich sicher?«
»Ich hoffe doch«, entgegnete er. »Hier
bewahren wir nämlich den Sprengstoff auf.«
Moh beobachtete, wie sich Janis’ Schultern und Hals
entspannten, als sie den Kaffee trank; ihr gereiztes
Naserümpfen, als er sich eine weitere Zigarette ansteckte,
überging er. Sie nahm es gut auf, ganz so, als vermittelte
ihr der Aufenthalt in der kleinen Festung kommunistischer
Söldner ein Gefühl von Sicherheit.
Sie musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen.
»Wie geht es Ihrem Kopf?«
Er inhalierte und lehnte sich zurück. Einatmen, die Luft
anhalten und in die friedliche Tiefe hinabtauchen… Es
verschaffte ihm Zugang zu bestimmten Bereichen, wie ein
Passwort.
»Eigenartig«, sagte er und stieß den Rauch
aus, als wäre ihm gerade eben eingefallen, wie man das
machte. »Aber ich denke, es ist schon okay. Ich denke
halt.«
Sie nahm das zur Kenntnis.
»Sie könnten auch wieder rechnen.« Ein
boshaftes Lächeln.
»Daran will ich nicht mal denken.«
»Na schön. Was sollen wir hier tun?«
»Als Erstes diesen kleinen Bastard befragen.« Er
deutete auf das Gewehr, das zwischen seinen Stiefeln auf dem
Boden lag. »Ich hatte es auf Ihr Forschungsprojekt
angesetzt – okay, okay –, und vielleicht ist es ja
auf irgendwelche Spuren gestoßen, bevor es zu dem
Zwischenfall kam. Könnte uns vielleicht einen Hinweis darauf
geben, ob alles bloß Einbildung war oder nicht. Ich halte
das für ziemlich wichtig.«
»Aber sicher doch«, sagte sie ironisch.
»Da steckt mehr dahinter als bloß irgendwelche
Bewusstseinsprozesse«, sagte er nachsichtig. »Es
könnte sein, dass wir auf Gedeih und Verderb« –
er schlug den Tonfall eines Off-Kommentars an –
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