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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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ihnen alles zu
erklären, außerdem brauchen sie es nicht zu wissen. Es
würde die Gefahren, die auf sie lauern, auch nicht kleiner
machen. Eher sogar größer, denn was man nicht
weiß…«
    Kann man auch nicht verraten, dachte sie und nickte
bedrückt.
    »Also, wie geht es weiter?«
    »Vor Jahren habe ich einen Typ namens Logan kennen
gelernt. Einen Weltraumarbeiter, der seinen Job verloren hatte.
Er war Mitglied der Vierten Internationalen…«
    Als er ihre verdutzte Miene sah, tauchte er den Zeigefinger in
eine Weinlache auf dem Tisch, malte Hammer und Sichel mit der
Vier und sagte: »Eine kleine sozialistische Splittergruppe,
die weltweite Möchtegernpartei der Sozialisten. Trotzkisten.
Dieselbe Organisation, bei der auch mein Vater Mitglied war.
Logan war sehr an mir interessiert. Er fragte mich, ob ich etwas
über die ›Sternenfraktion‹ wisse. Er war in
der Weltraumfraktion. Das war etwas anderes.«
    »Klingt aber sehr ähnlich«, scherzte Janis,
die ihn gern aufgemuntert hätte. »Vielleicht eine
andere Faktion?«
    »Das ist nicht das gleiche. Faktion und Fraktion. Das
sind zwei verschiedene Dinge.«
    »Wo liegt der Unterschied?«
    »Eine Faktion kann Teil einer Fraktion sein«,
erklärte er mit selbstironischer Pedanterie, »aber
nicht umgekehrt.«
    »Ich verstehe. Warum kann…«
    »Demokratischer Zentralismus. Oder dialektischer
Materialismus?« Er grinste sie an. »Hab ich
vergessen.«
    »Wo ist Logan jetzt? Wieder im Weltraum?«
    »Ja, er ist wieder hochgeflogen, wurde aber auf eine
schwarze Liste gesetzt und konnte nur noch zum Mond fliegen und
wieder zurück. Nach ein paar Flügen hab ich ihn aus den
Augen verloren. Der Einzige, der seinen Aufenthaltsort vielleicht
kennt, ist Bernstein.«
    »Wer ist Bernstein?«
    Moh machte ein überraschtes Gesicht. »Jeder kennt
Bernstein.«
    »Ich nicht. Ist er im Netz?«
    Moh lachte. »Nein, dafür hat der alte Gauner schon
zu viel Zeit mit semiotischen Bomben verbracht. Bernstein ist ein
Mann des bedruckten Papiers.«
    Janis beschloss, es dabei bewenden zu lassen.
    »Na schön, und wie geht es jetzt weiter?«
    »Also, ich schätze, hier im Pub sind ein paar
Leute, die vielleicht wissen, was da vorgeht. Wir sollten mal mit
ihnen quatschen, vielleicht bekommen wir ja ein paar Hinweise.
Anschließend übernachten wir hier, besuchen morgen
Bernstein und machen uns dann auf die Socken.«
    »Wohin?«
    Moh grinste sie an. »Ah, so weit habe ich noch nicht
vorausgedacht. Lassen Sie uns im Pub drüber
reden.«
    »Das ist mal ein Wort.« Der Wunsch, sich an einem
geselligen, zivilen Ort zu entspannen und die Wogen des Tages mit
ein wenig Alkohol zu glätten, kam über sie wie
Durst.
    »Mein Zimmer ist frei«, sagte Moh. Sein Tonfall
war ohne Doppeldeutigkeit.
    »Und was machen Sie?«
    »Ich finde schon ein Plätzchen.«
    Das konnte alles Mögliche bedeuten. Sie lächelte ihn
forschend an. »Schlafen Sie eigentlich nie?«
    »Ich habe eine Pille genommen.«
    »Ah, ja. Die haben Sie nicht zufällig in der Disco
gekauft? Von einer Blondine?«
    Er machte große Augen. »Woher, zum Teufel, wissen
Sie das?«
    »Macht disch im Nu hellwach«, sagte sie
persiflierend. »Also, in ein paar Stunden werden Sie im Nu
einschlafen.«
    Sie schleppten das Gepäck nach oben. Mohs Zimmer lag im
ersten Stock und ging nach hinten hinaus. Es war
größer, als Janis erwartet hatte, ausgestattet mit
einem Doppelbett und einem großen Kleiderschrank. Jede
Menge politische Plakate, ein meterbreiter Bildschirm.
    »Ich muss dringend duschen«, sagte Moh, »und
mein ganzes Zeug ist hier…« Er klang beinahe
schuldbewusst.
    »Machen Sie schon, Idiot.«
    Sie schaute seine Disketten durch, während er in der
angrenzenden Dusche verschwand. Ein Kasten trug die Bezeichnung
›Klassiker‹, und die abgegriffenen Hüllen
ließen darauf schließen, dass er die Filme
häufig gesehen hatte: El Cid, Die Schlacht von Algiers,
2001, Z, Das Leben des Brian… Sie lächelte.
    Er hatte nur wenige Bücher, aber zahlreiche politische
Pamphlete in Regalen und am Boden gestapelt: sie entdeckte eine
Ausgabe von Die Erde ist eine spröde Geliebte, das
Originalmanifest der Weltraumbewegung, prächtig aufgemacht
mit alten Hologrammen; Das Geheime Leben der Computer, das
eine ähnlich biblische Bedeutung für die
AI-Abolitionisten hatte; ein neostalinistisches Traktat mit dem
Titel Gab es wirklich sechzig Millionen Tote?; sie
blätterte die spröden Seiten eines

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