Das Sternenprogramm
– Sie wissen nicht zufällig, wo Logan
steckt?«
Bernstein langte unter den Tisch und blätterte in einem
Buch mit abgewetztem Ledereinband, dessen Seiten von Metallringen
zusammengehalten wurden, offenbar ein Hardcopy-Notizbuch.
»Ja, er hält sich gerade in einer selbständigen
Raumkolonie auf. Neuer Ausblick. Utopisch und wissenschaftlich,
klar? Ah, da haben wir’s. Benutzt immer noch PGP zum
Verschlüsseln, wie ich sehe.«
Moh scannte die Zeichenfolge sorgfältig in seine
Smart-Box ein.
»Hat er mal was über die Sternenfraktion
gesagt?«, fragte er leichthin. »Jemals was
darüber erfahren?«
»Nee«, sagte Bernstein. »Hab Logan vor ein
paar Jahren getroffen, da meinte er, er bekäme immer noch
diese merkwürdige Botschaft.« Er kicherte. »Eine
merkwürdige Botschaft, in der Tat. Ich vermute, Josh hat das
in den Schwarzen Plan eingebaut.«
Moh hörte, wie das Blut aus seinem Gehirn wich, ein
Rauschen wie von einem fernen Wasserfall. Er fixierte Bernstein,
während die ganze Mall ein körniges Grau annahm.
»Der Schwarze Plan?«, hörte er sich
sagen.
»Klar«, meinte Bernstein. »Den hat dein
alter Herr geschrieben. Ich dachte, du wüsstest
das.«
Kohn kämpfte gegen die Flashbacks an.
Vergeblich.
Schwere Metallregale, gefüllt mit Elektronik, Werkzeug,
den Innereien von Computern. Trotzkijs gesammelte Werke.
Hardware- und Software-Handbücher. Hochglanzcomputermagazine
(seine Mutter hatte sie als Softpornos bezeichnet). Moh hatte
sich in eines der Magazine vertieft, als er ein Hüsteln
vernahm.
Er drehte sich zum Tisch in der Mitte des Raumes um.
»Morgen, Josh«, sagte er lächelnd.
Sein Vater sah vom Bildschirm auf und nickte. »Hi,
Moh.« Er streckte die Hand aus, schnippte mit den Fingern.
»Gib mir mal das Dissembler-Handbuch. Drittes Fach von
oben… danke.«
Eine Weile klapperten die Tasten des Keyboards. Moh schaute
seinem Vater schweigend zu, dann stützte er die Ellbogen auf
den Tisch und sah genauer hin. Er blickte konzentriert,
fasziniert auf den Bildschirm, während die eingerückten
Programmzeilen nach oben wanderten. Er wusste nicht, wozu das
Programm gut war, doch er hatte das Programmieren praktisch auf
dem Schoß seines Vaters gelernt, er begriff die dem Ganzen
innewohnende Logik und konnte erkennen, dass es auf irgendeiner
Ebene Sinn ergab: noch bevor es erschien, wusste er, dass das
nächste Symbol für ENDMODUL stehen würde. Einen
Tastendruck später verschwand das Modul in der Ferne und
verwandelte sich in eine blasse, horizontale Schraffur auf einem
Kasten, der mit anderen Icons auf dem Bildschirm verbunden
war.
»Was machst du da, Dad?«
Josh blickte ihn einen Moment lang geistesabwesend an, dann
lächelte er resigniert. Er richtete sich auf seinem
großen Stuhl auf, zog die Schulterblätter zusammen,
atmete seufzend aus und langte nach einer Packung Zigaretten. Er
steckte sich eine an, stützte sich auf den Tisch und dachte
hin und wieder daran, den Rauch in eine andere Richtung zu
blasen.
»Das gehört zu einem großen Objekt«,
sagte er. »Äh… ich möchte dich bitten, mit
niemandem darüber zu reden.« Er lächelte Moh
verschwörerisch an. »Das ist kompliziert… es
geht um Ressourcenplanung, um Logistik und finanztechnische
Entwicklungsalgorithmen, mit ein bisschen eingebetteter
Kontingenz-Planung.«
»Was bedeutet
›Kontingenz‹-Planung?«
»Also… da geht es um Dinge, die man tut, um sich
abzusichern.«
»Wie wenn man Gewehre vergräbt!« Moh zielte
mit einer imaginären Waffe.
»Genau.« Josh seufzte erneut und blickte wieder
auf den Bildschirm. »Das Programm ist für die
Sternenfraktion.«
»Was ist die ›Sternenfraktion‹?«
Josh musterte ihn mit distanziertem Blick, dann
schüttelte er den Kopf, als erwache er aus einem Traum.
»Vergiss das«, sagte er barsch. Diesen Ton hatte
Moh bei ihm noch nie gehört, und das Erschrecken war ihm
offenbar anzusehen, denn Josh lächelte plötzlich, legte
ihm den Arm um die Schulter und brummte lachend: »Fünf
für den sowjetischen Plan und vier für die
Internationale…«
Moh fiel ein: »Drei, drei das Me-henschenrecht, zwei
für die Arbeiter, denen geht’s schlecht, und eins ist
die Einheit der Arbeiterklasse, denn die Zukunft gehört der
Masse!«
Josh schloss das Thema mit einer blauen Rauchwolke ab.
»Also… wie kommt die Einheit der Arbeiterklasse bei
den Jungen Rebellen voran?«, fragte er.
»Wir streiten uns immer«,
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