Das stille Gold der alten Dame
Aber auch Nicht-Verheiratete sind gern gesehene Gäste. Sollen
wir’s mal testen?“
Ich bekam nur ein Achselzucken als
Antwort.
„Die Adresse werd ich trotzdem notieren“, sagte ich lachend.
Zusätzlich notierte ich auch noch die
Autonummer der blonden Schönheit, für alle Fälle.
„Auch das bringt uns nicht viel
weiter“, seufzte ich, als wir wieder in meinem Dugat saßen. „Ach, sieh an! Wir sind ganz in der Nähe der Avenue Henri-Martin. Mal
sehen, ob Zavatter seiner Aufgabe gewissenhaft
nachgeht.“
* * *
In der majestätischen Avenue
Henri-Martin mit ihrer vierfachen Baumreihe war kein Parkplatz zu finden. Ich
mußte fast bis zur Place de la Porte — de-La- Muette fahren. Langsam gingen wir zur Hausnummer 101 zurück und bewunderten gebührend
die Ruhe in den imposanten Häusern, die durch Vorgärten von der
hochherrschaftlichen Avenue getrennt sind.
„Seltsam“, sagte ich. „Avenue
Henri-Martin! Kommt mir bekannt vor.“
„Vielleicht haben Sie in einem Ihrer
früheren Leben hier gewohnt“, legte mir Hélène nahe.
„Verarschen kann ich mich selbst! ...
Nein, der Name kommt mir bekannt vor.“
„Kein Wunder! Faroux hat die Avenue
erwähnt, Sie selbst haben mehrmals mit mir darüber gesprochen, ich hab den
Namen genannt. Auf die Dauer macht einen das verrückt...“
„Wahrscheinlich haben Sie recht... Sehn Sie mal“, sagte ich und nahm ihren Arm. „Das da kommt
mir auch bekannt vor!“
Ich zeigte auf einen Wagen im
Halteverbot.
„Sieht aus wie ‘n Polizeiwagen“,
stellte Hélène fest.
„Sieht nicht nur so aus! Das ist
einer. Und da sind auch schon die Flics .“
Schokoladenbrauner Hut auf
Viertel-vor-zwölf, beiger Regenmantel, stachliger Schnäuzer: Florimond Faroux stürmte aus dem Haus Nr. 101, gefolgt von
Inspektor Fabre. Der Kommissar sah mich nicht gleich. Erst nach einem
Rippenstoß von seinem Untergebenen kam er langsam auf uns zu. Sein Blick war
kühl, unpersönlich, sein Gesicht so ausdrucksvoll wie’n Schöpflöffel. Mit seinem nikotingelben Finger tippte er mir auf die Brust.
„Nestor Burma, stimmt’s?“ knurrte er.
„Falsch, M’sieur !“
gab ich zurück. „Die Königin von Kambodscha, inkognito.“
„Spielen Sie nicht den Affen. Wie
haben Sie so richtig gesagt? Ein ganz einfacher Fall, hm?“
„Glaub ich inzwischen selbst nicht
mehr.“
„Was suchen Sie in der Avenue
Henri-Martin, Burma?“
„Avenue Henri-Martin?“ Ich sah mich
nach einem Straßenschild um. „Ach ja, da steht’s! Avenue Henri-Martin...“
Verdammt nochmal! Mein nachdenkliches Gesicht war nicht gespielt! Der Name kam
mir bekannt vor...
„Wir gehen ‘ne Runde spazieren, Hélène
und ich. Sie kennen doch meine Sekretärin, nicht wahr? Hélène, sagen Sie mal nett ,Guten Tag, Monsieur!“ Vielleicht antwortet er Ihnen
ausnahmsweise.“
„Tag, Kommissar“, sagte Hélène.
„Guten Tag“, brummte Faroux. „Also,
Sie gehen hier spazieren?“
„Wir gehen hier spazieren, ja“,
antwortete Hélène.
„Und Sie, lieber Freund“, meldete ich
mich wieder, „Sie gehen auch spazieren? Frische Luft schnappen, was?“
„Ich“, knurrte Faroux, „komm grade aus
dem Haus da, vom Concierge. Und der hat mir erzählt, daß ein junger Mann bei
ihm gewesen ist und ihn über den Überfall ausgequetscht hat, dessen Opfer der
Concierge vor kurzem war. Haben Sie vielleicht was damit zu tun?“
„Mit dem Überfall? Nein. Mit dem
jungen Mann? Auch nicht. Vielleicht stellen Sie mich dem Concierge vor und
fragen ihn, ob er mich wiedererkennt?“
„Als den jungen Mann? Bestimmt nicht.
Könnte aber einer Ihrer Mitarbeiter gewesen sein... Ihrer jüngeren
Mitarbeiter“, fügte er sarkastisch hinzu. „Verflixt und zugenäht! Möchte
wissen, wie Sie jetzt wieder hierüber gestolpert sind!“
„Worüber?“
„Sag ich Ihnen später, wenn ich’s für
nötig halte. Bin aber froh, Sie zu treffen.“
„Merkt man.“
„Wir wollten grade zu Ihnen, aber da
Sie schon mal hier sind...“ Er sah um sich. „...suchen wir uns am besten ein
ruhiges Bistro.“
„So liebe ich Sie, Florimond “,
sagte ich lachend.
Wir fanden unser Glück in der Rue
Adolph-Yvon. Yvon... Yves... Aber ja, natürlich! Yvon und Yves, das war ein und
derselbe Kram! Ich weiß nicht, was mit meinem Kopf los war. Offensichtlich
nicht viel. Höchste Zeit, daß ich ihm und mir einen kräftigen Schluck gönnte!
Die Terrasse vor dem Bistro war überfüllt, der Schankraum menschenleer. Wir
vier — Faroux, Fabre,
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