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Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)

Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition)

Titel: Das stille Qi Gong nach Meister Zhi-Chang Li: Innere Übungen zur Stärkung der Lebensenergie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulli Olvedi
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Unschuld
in den Freudenhäusern. [126]  
    Das klassische Werk »Das Buch des einfachen Mädchens« aus dem 3. Jahrhundert behandelt das Thema Sexualität ausführlich in Gesprächen zwischen dem legendären Gelben Kaiser (Huang Di) und seinen Beraterinnen, vornehmlich dem Mädchen Su Nü (er hatte der Legende nach vier weibliche und nur einen männlichen Berater). Darin heißt es über »das Hüten des Jing« (die Praxis des Zurückhaltens der Ejakulation, eine einfache Grundübung, die den Samen und somit das Jing bewahren hilft), die populärste Form des sexuellen Yoga:
Wenn ein Mann einmal liebt, ohne seinen Samen preiszugeben, wird das seinen Körper kräftigen. Wenn er zweimal liebt, ohne ihn preiszugeben, werden seine Augen und Ohren besser arbeiten. Beim dritten Mal verschwinden alle Krankheiten. Beim vierten Mal wird er den Frieden der Seele finden. Beim fünften Mal werden Herz- und Blutkreislauf neu belebt. Beim sechsten Mal werden seine Lenden gestärkt. Beim siebten Mal werden Gesäß und Schenkel gekräftigt. Beim achten Mal wird seine Haut zart. Beim neunten Mal wird er ein langes Leben erreichen. Beim zehnten Mal wird er sein wie ein Unsterblicher. [127]  
    Eine mittlere Position vertrat jener berühmte Weise des 3. Jahrhunderts, Ge Hong, der in den 116 Bänden seines Werks alle nur erdenklichen Aspekte des Taoismus behandelte. Die »wechselseitige Kultivierung« (Paarübungen, zu denen die körperliche Technik des »Emporziehens«, Visualisierung der Energie und oft auch ein rituelles Zeremoniell gehören) ist nach Meister Ge Hong zwar mit Vorsicht zu genießen, jedoch keinesfalls völlig abzulehnen. Als unbedingt nötige Voraussetzung für eine erfolgreiche Praxis nennt er »volle Einsicht in die Tiefe des Tao«. Wie viele andere Taoisten vertrat er die Ansicht, ein ganz normales, mäßiges Sexualleben sei für junge Menschen auf jeden Fall besser als strikte Enthaltsamkeit, aber auch besser als missverstandene esoterische Sexpraktiken. Ohne die nötige tiefe Einsicht bestehe die große Gefahr, dass Paare durch die falsche Anwendung esoterischer Methoden »ihr Jing und ihr Shen erschöpfen, ohne zum Erfolg zu kommen, obgleich sie sich ein Leben lang bemühen« [128]   .
    Nach John Blofeld hielt Meister Ge Hong …
… die wechselseitige Kultivierung für geeignet …, wenn sie mit Aufrichtigkeit praktiziert wurde. Er scheint aber gewissen Zweifel gehegt zu haben, denn an anderer Stelle lesen wir, dass es sich bei den Anhängern dieser Methode manchmal um Menschen handelte, die unter einem schrecklichen Missverständnis litten, oder um Wüstlinge, die sie für ihre Sinneslust ausnutzten, oder sogar um falsche Adepten, die unter dem Vorwand, hohe spirituelle Ziele zu verfolgen, Frauen zum Ehebruch verführten. In seinen späteren Schriften nahm er eine noch skeptischere Haltung ein und erklärte, dass die wechselseitige Kultivierung einen gewissen therapeutischen Wert besitze und eine gute Methode sein möge, um die Verschwendung des Samens zu vermeiden …, dass man ihr aber als zuverlässige Methode der spirituellen Kultivierung nicht vertrauen sollte. Ich selbst fand, dass diese Ansicht unter Taoisten weit verbreitet ist … Da diese äußere Methode für jene Übenden gefährlich ist, die sich nur schwer von der Herrschaft der Sinne befreien können, muss sie, wenn überhaupt, in Verbindung mit Kontemplation über die wahre Natur des alchimistischen Prozesses praktiziert werden. [129]  
    Blofeld berichtet von einer gewissen Spannung zwischen Konfuzianern und Taoisten, die in den unterschiedlichen traditionellen Meinungen über das Pro und Contra der wechselseitigen Kultivierung zum Ausdruck kommt. Vom taoistischen Standpunkt aus sind Geist und Materie nicht getrennt, und deshalb kann ein biologischer Vorgang durchaus für den geistigen Weg nutzbar gemacht werden. Das verlangt allerdings eine Einbettung der sexuellen Methoden in die hohe Disziplin dieses Weges. Im anderen Fall besteht die große Gefahr, dass sie zu einer Verstärkung der Abhängigkeit von Sexualität führen und damit eine Entwicklung zur Vergröberung – im unerfreulichsten Fall zu »spirituell« kaschierter sexueller Sucht – anregen, anstatt zu Souveränität und zu Verfeinerung zu führen (das ist möglicherweise mit der Zerstörung der »natürlichen Unschuld in den Freudenhäusern« gemeint, wobei vorauszusetzen ist, dass die Freudenhäuser des alten China ein bisschen mehr mit »Freude« zu tun hatten als

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