Das Stockholm Oktavo
jemandem mit dem Wunsch nach Unterwerfung ist es einfacher.« Gustav war versessen auf die Aufmerksamkeiten seines geliebten Adels, vor allem seiner angebeteten Hofdamen, die ihn nun so schmählich mieden. »Treten Sie so nah an Ihren Auserwählten heran, wie Sie können.« Die Uzanne würde sogar zur Ratssitzung reisen, wo ihre Anwesenheit eine Sensation wäre – ein Olivenzweig, den sie ihrem König darreichte. »Gestatten Sie Ihrem Fächer eine Neigung nach unten und enthüllen Sie die intime Vorderseite. Dann senken und heben Sie den Fächer langsam, behalten dabei Augenkontakt und bauen Vertrauen auf.« Sie würde an Karls Arm vor Gustav treten, der seinem Bruder keinen Verrat zutraute. »Wenn Sie seine Aufmerksamkeit haben, hauchen Sie einen zarten Kuss auf den Mittelstab und besiegeln Sie die Verheißung künftigen Feuers.« Die Uzanne malte sich die Szene aus: Sie würde das Pulver freisetzen und zusehen, wie Gustav umfiel. Sie würde vor Schreck aufschreien, dann würden Karls Männer den schlafenden Monarchen in eine große Reisekutsche packen, und Gustav würde nicht einmal merken, wie man ihm die Krone vom Kopf riss. »Halten Sie seinem Blick stand, bis er wegtritt, und die Dominanz ist perfekt.« Die Kutsche würde Gustav zu einem Schiff bringen, das Kurs auf Russland nähme. Katharina die Große, seine Cousine und eingeschworene Feindin, würde ihn dort gefangen halten. Herzog Karl würde zum Herrscher ausgerufen werden, die Uzanne wäre die erste Mätresse und die Retterin ihrer Nation. »Jetzt!«
Anna Maria richtete den grauen Fächer auf Lars, der vor Spannung steif dasaß. Sie ließ den Fächer schräg sinken und hob ihn dann zu seinem lächelnden Gesicht, ihre roten Lippen bliesen zärtlich über die Mittelfalte. Johanna hielt die Luft an, ihr Magen verkrampfte sich vor Angst. Sie sah, wie das Pulver in einer dünnen Wolke direkt vor seiner Nase aus der Netztasche stäubte. Lars atmete ein und zuckte dann mit den Achseln zum Zeichen, dass sich bei ihm noch nichts tat. Doch dann wurde sein Blick glasig, und sein ganzer Körper wurde schlaff. »Ich bin Ihr Gefangener«, sagte er zu Anna Maria, seufzte und fiel nach hinten, seine Hand legte sich mitten auf seinen Schoß. Die jungen Damen mussten die Lippen zusammenpressen, damit sie nicht lachten, die Offiziere spotteten lauthals. Die anderen Gäste schnatterten aufgeregt über diese Geste, denn sie war sicherlich so einstudiert. Aber Gekicher und Augenzwinkern hörten auf, als sie sahen, dass Lars sich nicht mehr rührte. Sein Kopf fiel auf die Seite, seine Augen verdrehten sich zu weißen Schlitzen unter halbgeschlossenen Lidern. Es wurde gegrölt und getuschelt. Johanna lehnte sich an die Wand, ihr wurde ganz schlecht. Die Uzanne versteifte sich leicht und wich vor Lars’ totem Blick zurück. Anna Maria schloss ihren Fächer und legte ihm das Ohr an die Brust. »Er schläft«, verkündete sie mit leuchtenden Augen, »und hat die süßesten Träume«, fügte sie hinzu und deutete mit einem Kopfnicken auf seinen Schoß.
Die Uzanne schlug mit der Spitze ihres Fächers auf die Handfläche. »Eine Meisterleistung, Fräulein Plomgren. Ich bewundere Ihre Haltung.«
Anna Maria machte einen Knicks. »Danke, Madame.«
»Dann lassen wir unsere Gäste nun einen genaueren Blick auf die Dominanz werfen.« Die Uzanne streckte die Hand nach dem grauen Fächer aus, und die beiden Frauen machten sich auf den Weg durch den Salon, wobei sie, beginnend bei den Männern, Tisch für Tisch die Glut löschten und wenn nicht Leidenschaft, dann Zweifel und Angst ausräumten. Der schwache Duft von Jasmin stieg auf. Die jungen Damen entspannten sich auf ihren Stühlen, Schuhe fielen mit einem leisen Plumps auf den Boden. Fächer lagen ausgebreitet auf den weißen Tischen, Hände strichen über die Stiele. Selbst die Herren, die auf Bänken an den Wänden hockten, waren durch dieses Manöver beruhigt und lehnten sich mit halbgeschlossenen Augen zurück. Die Uzanne, Anna Maria und Johanna trafen sich an der Tür zur Eingangshalle, wo ein kalter Wind aus einem offenen Fenster hereinwehte. Bis auf den leisen Luftzug war es still im Salon; die Gäste lehnten sich aneinander wie Puppen, einige hatten den Kopf auf den Tisch gelegt und die Arme zum Kissen verschränkt.
»Eine hervorragende Mischung, Fräulein Blom«, sagte die Uzanne.
»Dann steckt also sie hinter der Kunst der Dominanz«, stellte Anna Maria fest und betrachtete Johanna genauer.
»Aber Madame, es ist nicht
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