Das Stockholm Oktavo
Er runzelte die Stirn. »Schicken Sie der Uzanne eine Nachricht, dass Sie in den letzten drei Tagen an meinem Krankenbett saßen, natürlich auf die große Gefahr hin, selbst zu erkranken, und von mir die Zusicherung erhalten haben, dass ich ihren Fächer umgehend besorge. Doch nachdem der berühmte Doktor Pilo Sie an meinem Bett angetroffen hatte, hat er uns beiden eine kurze Quarantäne verordnet, damit wir die ansteckenden Keime nicht verbreiten. Sagen Sie ihr, dass Sie nach Gullenborg fahren, sobald kein Risiko mehr besteht. Unterdessen hole ich den Fächer, und Sie versuchen, mehr über ihre düsteren Machenschaften herauszufinden.«
»Exzellent! Selbst die Uzanne wird sich in diesem Winter nicht über die Quarantänegrenze hinauswagen. Die Toten stapeln sich auf der Südinsel wie Eisbündel und warten darauf, beerdigt zu werden.« Er zog Mantel und Handschuhe an und band sich den Schal um den Hals.
»Noch eins«, sagte ich und hielt ihn am Ärmel fest. »Was ist mit Fräulein Blom?«
Er sah mich misstrauisch an, als hätte meine Frage einen Unterton, den er nicht von mir kannte. »Nun, sie heißt nicht Johanna Blom, sondern Grå, und sie ist gerissen, aber mitnichten adlig. Ich gebe zu, dass ich ihre Not zu meinen Gunsten ausgenutzt habe. Ihre Mutter ist eine religiöse Fanatikerin und wollte das Mädchen in eine grässliche Ehe zwingen. Der Bräutigam war ein gewalttätiger Rohling, und die Nachbarn waren wohl traurig darüber, dass ihnen die Prügel entgangen sind.« Er schauderte. »Fräulein Grå ist weggelaufen und kam letzten August zu mir, weil sie hier sonst niemanden kannte. Haben Sie Mitleid mit ihr, Emil. Nun erklimmt sie den Turm, wie ich es getan habe, und hat sich darin gut eingerichtet, aber sie begreift nicht, dass es für eine Frau kein Entkommen gibt.« Er stand behäbig auf und streckte sich. »Ich muss jetzt nach Hause zu meiner Gattin. Ich war lange weg, und sie ist mein Fels in der Brandung. Ich möchte mit dieser anständigen Frau unter keinen Umständen brechen.«
Ich stützte mich auf einen Unterarm. »Ich bin dankbar für Ihren Besuch, Meister Fredrik.«
»Aus irgendeinem Grund wurden wir in dieser Angelegenheit zusammengeführt, als hätten wir keine andere Wahl«, erwiderte er. »Manchmal zwingen die Umstände Menschen zu einer Freundschaft, und dann werden sie am Ende wirklich gute Freunde.« Er verbeugte sich und ging mit klackenden Schuhen davon. Im Vorderzimmer blieb er stehen und drehte sich noch einmal zu mir um. »Nimm die Hand, die man dir reicht, Emil Larsson.«
Kapitel 39
Glauben
Quellen: E. L., Frau M., Mikael M.
Drei Wochen später erwachte ich vor einem Viereck blauen Himmels im Fenster und vor Frau Murbeck, die mit einem Brief über meinem Bett stand, der mit der Morgenpost gekommen war. »Das sollte Ihre Genesung beschleunigen. So ein Papier habe ich noch nie gesehen! So ein Siegelwachs!«, rief sie aus.
»Dann machen wir ihn auf«, sagte ich, denn ich wusste, dass sie nicht gehen würde, bevor sie nicht mindestens den Namen des Absenders erfahren hätte. Ich nahm den Umschlag und besah mir die Schrift. Ich hatte auf eine Nachricht von Madame Sparv gehofft, aber ich kannte ihre Krakelschrift und hatte seit Wochen nichts von ihr gehört. Ich schnupperte an dem Umschlag, ob er einen charakteristischen Duft verströmte, aber es gab keinen. Ein Petschaft war in erbsengrünes Siegelwachs gedrückt worden, aber es zeigte nur einen feinperligen Rand um einen leeren Kreis. Ich brach das Siegel und zog den Brief heraus. Das Papier war weich, schneeweiß und mit Silber meliert, die Ränder waren zu Jakobsmuscheln ausgeschnitten, der Brief hatte eine grasgrüne Bordüre, aber keinen Inhalt. »Leer«, sagte ich und hielt ihn hoch. »Da steht doch tatsächlich nichts, oder, Frau Murbeck? Ich hoffe, ich habe keine Wahnvorstellungen mehr.«
Ich reichte ihr das Blatt, und sie sah es sich genau an, dann strich sie mit dem Finger darüber. »Hier wurde es mit etwas Spitzem berührt«, sagte sie. Sie nahm das blaue Glas der Votivkerze und hielt den Brief nahe an die Öffnung. »Ich war einmal im Theater – ein einziges Mal nur –, aber ich erinnere mich noch immer an eine dunkle, leere Wand, die zum Leben erweckt wurde, als dahinter Lampen angingen.« Sie beäugte das Papier in ihrer Hand. »Ich kann eine Zeile ausmachen, nein, zwei.«
»Und was steht da?«
Sie hielt es näher an die Kerze. »Oh! Die Wärme der Flamme macht die Buchstaben sichtbar. Nicht viele, Herr
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