Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Stockholm Oktavo

Das Stockholm Oktavo

Titel: Das Stockholm Oktavo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Engelmann
Vom Netzwerk:
Silberdose.
    »Tja, Meister Fredrik, Sie haben ein Teufelsglück!«, krächzte Vater Berg. »Sieht nach Zwillingen aus.« Er zog zwei Kälber aus dem noch pulsierenden Bauch und legte sie nebeneinander auf eine dicke Schicht Stroh. »Keine Sorge, junges Fräulein, wir nähen unsere Klöver wieder zusammen, dann ist sie wieder wie neu, aber die Kälber sehen einer anderen Zukunft entgegen, was, Meister Fredrik? Ich mache sie sauber, bevor Sie gehen, dann können Sie und das junge Fräulein sich die Häute ansehen.« Er zwinkerte Johanna zu, die sich noch immer festhalten musste, um nicht zu fallen.
    Meister Fredrik sah das bleiche, zitternde Mädchen an. »Wussten Sie nicht, dass das mit der Hühnerhaut nur eine Redensart war?« Johanna schüttelte den Kopf. »Ein Fachbegriff, meine Liebe. Ein Huhn würde nicht mal für einen Babyfächer reichen. Man könnte Ziegenleder nehmen, aber die Uzanne hält keine Ziegen, sie mag den Geruch nicht.« Er wandte sich an Vater Berg: »Nehmen wir uns einen zur Brust, bevor Sie sie häuten? Und ist der Kleine Per alt genug für einen Schluck?« Beide lachten als Antwort. Meister Fredrik zog einen silbernen Flachmann aus der Jackentasche und reichte ihn dem älteren Mann. »Kommen Sie, Fräulein Blom, wir werden jetzt wegen Ihrer Anstellung fragen.« Er nahm seinen Flachmann wieder an sich und führte Johanna durch die Tür zum hinteren Teil des Haupthauses.
    Das Mädchen begrüßte Meister Fredrik am Lieferanteneingang und nahm ihm Umhang und Hut ab. »Heute kein Liedchen für mich, Meister Fredrik?«, fragte sie.
    »Nein, Luisa, meine Kehle ist rau, nachdem ich Fräulein Blom ein Ständchen gebracht habe«, sagte er und nickte Johanna zu.
    Luisa sah Johanna verächtlich an. »Ein ungewöhnliches Bouquet«, sagte sie und zog die Nase hoch.
    »Frisch im Hochland gepflückt!«, sagte er. »Sagen Sie Madame Bescheid, dass ich in der Tat eine seltene Blume für sie habe.«
    Das Mädchen verschwand durch den langen, grauen Korridor, Meister Fredrik ließ sich mit einem Brummen auf einen gepolsterten Stuhl nieder. Johanna blieb stehen, die Arme hingen steif an ihren Seiten, ihr fielen das gebohnerte Parkett und die Fülle von Glas auf.
    »Achten Sie darauf, sich nicht auf die Lippe zu beißen«, sagte Meister Fredrik zu ihr. »Madame hatte einmal ein Dienstmädchen, das es einfach nicht lassen konnte. Sie war gezwungen, ihm ein paar Zähne zu ziehen, um Abhilfe zu schaffen.«
    Luisa kam zurück und führte sie in einen kleinen Salon. Ein Wandbild schmückte drei Seiten des Raums, eine kunstvolle Chinoiserie in Smaragdgrün und Gold mit exotischen Vögeln und Blumen. Madame saß vor einem Ebenholzsekretär über ein dickes, ledergebundenes Buch gebeugt. Mit ihrem edelsteingrünen Kleid, der perfekten Frisur, ihrer Haltung und der Anmut, mit der sie sich zur Tür drehte, hätte sie auch die Kaiserin eines Märchenlandes sein können. »Meister Fredrik, was haben Sie mir gebracht?«
    Er eilte ihrer ausgestreckten Hand entgegen, aber die Augen der Uzanne hafteten auf Johanna. Meister Fredrik verbeugte sich. »Eine vornehme junge Dame als Ihre Begleiterin, genau wie Sie wünschten. Sie bat mich um eine Anstellung, aber ich habe zuerst an Sie gedacht.«
    Johanna zögerte ganz kurz, dann ging sie zum Sekretär und knickste, als würde sie das täglich machen. Die Uzanne stand auf und ging um Johanna herum wie ein Käufer auf dem Viehmarkt und machte Bestandsaufnahme: Struktur und Farbe des Haars, Breite der Schultern, Brustumfang, Oberkörper, Hüften, Beine, Füße, Hände. Sie nahm Johanna am Oberarm und drückte leicht, dann sah sie ihr ins Gesicht. »Ihre Haut ist vollkommen, in jeder anderen Hinsicht aber wurden Sie vernachlässigt, Fräulein Blom. Ich frage mich, wer wohl ein solches Vollblut verhungern lässt.«
    »Oh, sie ist aus einem vornehmen Stall, Madame – ein gebildeter, adliger Vater, eine fromme Mutter. Ihr zierlicher Körperbau ist fleischlicher Entsagung geschuldet, das ist eben Teil des Glaubens der Mutter.«
    »Woher kommen Sie, Fräulein Blom?«
    Meister Fredrik sagte schnell: »Aus dem Norden, Madame, aus einer Stadt mit nur …«
    Die Uzanne hob die Hand. »Ich möchte die junge Dame sprechen hören.«
    »Ich bin wirklich aus dem Hochland, Madame«, antwortete Johanna und betonte die Silben so, dass es auch so klang. »Meine Eltern haben ihr Vermögen verloren wie viele Adelsfamilien in diesen Zeiten. Außer meinem Namen besitze ich kaum etwas, und auch der zählt immer

Weitere Kostenlose Bücher