Das Stonehenge - Ritual
handeln musste.
Es war nicht nur ernst, sondern tödlich.
PH .
Pulmonare Hypertonie.
Genau wie seine Frau selbst hatte auch er ihre Atemnot und die ständigen Schwindelgefühle auf Überarbeitung zurückgeführt. Sie mutete sich einfach zu viel zu, ohne sich Ruhephasen zu gönnen. Neben ihrer Karriere als Anwältin hatte sie kleine Kinder aufzuziehen. Eine solche Doppelbelastung forderte zwangsläufig irgendwann ihren Tribut.
PH .
»Unheilebar.«
Am liebsten hätte er Dr. Sanjay verbessert. Dabei zweifelte er keineswegs an der fachlichen Kompetenz des ernst dreinblickenden Mediziners, nein, er wollte ihn lediglich darauf aufmerksam machen, dass es »unheilbar« und nicht »unheilebar« hieß. Ein Mann ins Sanjays Position hätte ungeachtet seiner ethnischen Wurzeln wissen müssen, dass es ein solches Wort nicht gab. Aber plötzlich existierte es. Und seine süße, großartige Frau sagte es ständig vor sich hin.
»Unheilebar.«
PH .
Dann war er auf das Wunder gestoßen. Die Geheiligten. Wenige Wochen nachdem er in die Zunft eingetreten war, gab es »unheilebar« nicht mehr. Keine Spur von PH . Die Krankheit verschwand genauso schnell und unerklärlich, wie sie gekommen war. Im Krankenhaus führten sie drei Monate lang immer neue, ermüdende Untersuchungen durch, ehe sie es endlich zugaben und seine Frau fast widerstrebend als geheilt entließen.
Die Ärzte waren angesichts dieser Entwicklung völlig verblüfft gewesen. Sie waren gekommen, um ihre kalten Stethoskope an die kostbaren Brüste seiner Frau zu halten, ihr Blut zu untersuchen und immer wieder auf Tabellen und andere Aufzeichnungen zu starren. Übereinstimmend waren sie zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich keineswegs um eine Fehldiagnose gehandelt hatte – und dennoch war die Krankheit verschwunden, die Patientin geheilt.
Das Handy auf seiner ledernen Schreibtischunterlage klingelt. Er wirft einen Blick auf das Display, ehe er rangeht. »Ja.«
»Ich bin’s, Draco. Der Sohn ist gerade im Bestattungsinstitut.«
»Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?«
»Nein. Man hat mir berichtet, er sei beim Anblick seines Vaters ziemlich gefühlsduselig geworden.«
Der Henge-Meister trommelt mit den Fingern auf der Schreibtischplatte herum. »Vielleicht hat die Zeit die Kluft zwischen den beiden geschlossen – was auch immer der Grund für ihr Zerwürfnis gewesen sein mag.«
»Ja, vielleicht.«
»Du solltest dich ein bisschen entspannen, was ihn betrifft. Sei für alle Möglichkeiten offen.«
»Das bin ich doch immer.«
»Du denkst auch an die andere Sache?«
»Ja.«
»Die Geheiligten werden entscheiden.«
Draco macht sich Sorgen. »Bist du sicher, dass die Zeit ausreicht?«
»Die Geheiligten sind dessen gewiss. Informiere die Späher.«
40
Es ist früher Nachmittag, als Gideon zum Haus zurückkommt. Er fühlt sich emotional völlig ausgelaugt, weiß jedoch, dass es unnatürlich wäre, anders zu empfinden, nachdem man gerade seinen toten Vater gesehen hat – aufgebahrt im Sarg, den von einer Kugel zerfetzten Kopf durch die Kunst der Kosmetik notdürftig wiederhergestellt. Aber Gideon will sich davon nicht unterkriegen lassen, das entspricht nicht seinem Naturell. Wenn einen das Leben niederstreckt, steht man wieder auf und macht weiter.
Ihm wird klar, dass er im Geiste gerade eine Maxime seines Vaters wiederholt. Dabei hat er so lange versucht, sich dem Mann zu widersetzen. Es ist eine schockierende Erkenntnis für ihn, dass der alte Herr ihn offenbar viel stärker geprägt hat, als ihm lieb ist. Gideon macht sich eine Tasse schwarzen Kaffee und lässt sich damit im Wohnzimmer nieder. Nachdenklich blickt er auf die weitläufigen Rasenflächen hinaus. Er kann sich seinen Vater beim besten Willen nicht als Gärtner vorstellen. Bestimmt hatte er jemanden damit beauftragt, den Rasen anzulegen und zu pflegen.
Gideon ist gerade am Einschlafen, als ihn das immer noch ungewohnte Bimmeln der Haustürklingel hochschrecken lässt. Er geht zur Tür und öffnet sie, lässt jedoch die Kette vorgelegt. Draußen steht ein untersetzter, kahlköpfiger Mann um die vierzig. Er trägt Jeans und ein blaues T-Shirt.
»Guten Tag, ich bin Dave Smithsen.« Er nickt zu einem großen weißen Lieferwagen hinüber, der neben dem Audi parkt. An der Seite prangt in stolzen Lettern sein Name. »Ich betreibe eine Baufirma. Von einem Bekannten aus dem Ort weiß ich, dass es bei Ihnen gebrannt hat. Deswegen habe ich mir gedacht, dass Sie vielleicht Hilfe
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