Das Stonehenge - Ritual
er liegt, hat seinen Körper auskühlen lassen.
Er erwacht mit stechenden Kopfschmerzen. Es fühlt sich an, als würde jemand tief in seinem Kopf eine Keule schwingen und damit rhythmisch gegen die Schädeldecke schlagen. Trotzdem ist er froh, am Leben zu sein. Er kann eine Hand bewegen. Die Fesseln wurden durchschnitten. Zwei Helfer in langen Gewändern, die beide eine Kapuze über den Kopf tragen, registrieren seine Bewegungen und treten vor. Behutsam helfen sie ihm auf und wickeln ihn in Decken ein.
Es ist vorbei.
Johns ist von der Kälte so steif, dass er kaum gehen kann. Seine Sinne sind seltsam geschärft. Obwohl er seine Füße nicht spürt, hört er das laute Echo seiner eigenen Schritte, als ginge er über die Oberfläche einer riesigen Trommel. Die Helfer stützen ihn, während er unsicher die kalten, schattigen Gänge entlangwankt. »Wir bringen dich in den Raum der Reinigung«, sagt eine weit entfernt klingende Stimme. »Dort wirst du gewaschen und eingekleidet, und dann bekommst du deine Instruktionen.«
Die Worte scheinen einen Abdruck in der Luft zu hinterlassen – wie eine Schallwelle auf einem Aufnahmeschirm. Mühsam wendet Johns den Kopf, um einen Blick über die Schulter zu werfen. Es kommt ihm vor, als würden die Silben hinter ihm herwehen wie der flatternde Schwanz eines bunten Drachens.
Offenbar haben sie ihn unter Drogen gesetzt. Er hat Halluzinationen, weiter nichts.
Sie führen ihn zu einem tiefen Felsgraben, der von einem tosenden Wasserfall gespeist wird. Mit rotem Wasser. Blutrotem Wasser. Auf dem Boden dampft es, als hätte dort jemand eine Pfanne Tomatensuppe verschüttet. Johns, immer noch nackt, steht da wie gebannt. Starr vor Schreck. Unfähig, sich von der Stelle zu bewegen.
»Keine Angst,
vertraue
uns.« Einer der Helfer hält eine Hand unter das herabprasselnde Blut. Als es seine Haut berührt, verliert es seine rote Farbe und wird kristallklar. Rein wie ein Bergbach.
Johns steigt hinein und schließt die Augen. Der Dampf des Wasserfalls riecht wie rostiges Eisen. Es kommt ihm vor, als würden Tausende von Nadeln in seinen Schädel gestochen. Sein Herz setzt einen Moment aus, als sich die Wassertropfen wie Dornen in seinen Kopf bohren.
Langsam erwachen seine von der Kälte tauben Nerven unter der warmen Dusche zu neuem Leben. Schließlich schlägt er die Augen auf. Er blickt auf seine Hände und seinen Körper. Klares Wasser läuft an ihm hinunter. Kein Blut. Alles ist ganz normal.
Die Helfer stehen am Rand des Grabens mit Handtüchern bereit. Er steigt hinaus und hinterlässt nasse Fußabdrücke, als er über den Schieferboden patscht. Im Raum der Reinigung sieht er Nebel aufsteigen. Vor ihm liegen seine eigenen Klamotten und ein Gewand aus grobem Sackleinen. Es gehört nun ihm. Er ist ein Mitglied der Zunft. Er ist aufgenommen worden.
In der Ecke steht ein großer Spiegel. Johns stellt sich davor und reckt den Hals, um sich das Ausmaß der Wunden anzusehen, die ihm vom Meister zugefügt wurden. Seltsam. Er verdreht erst seinen linken und dann auch seinen rechten Unterarm, um die Initiationsschnitte in Augenschein zu nehmen. Er wirft noch einmal einen Blick in den Spiegel.
»Wie kann das sein?«
Seine Begleiter geben ihm keine Antwort.
»Ich habe doch stark geblutet. Aber ich kann keine Narben entdecken.« Erneut wendet er sich vor dem Spiegel hin und her. »Da ist gar nichts – nicht die Spur einer Narbe.«
Im Durchgang taucht eine Gestalt auf, eingehüllt in einen Umhang.
Johns erkennt das faltige Gesicht unter der Kapuze. Es ist Sean Grabbs, Serpens, sein Zunftbruder.
Mit dem zufriedenen Lächeln eines Mentors, der auf seinen Schützling stolz sein kann, sagt er zu Johns: »Zieh dich an, Lacerta. Auf uns warten wichtige Aufgaben.«
47
Samstag, 19 . Juni
Kurz nach vier beginnt der Himmel zu leuchten. Sanft weckt Jake Caitlyn.
Sie ist noch ziemlich schlaftrunken, als er ihr aus dem Campingbus hilft. Die kühle Morgenluft lässt sie schauern. Sofort eilt er zurück in den Wagen, um ein paar Decken und die Tasche zu holen, in die er bereits ein paar von den Köstlichkeiten aus dem Kühlschrank gepackt hat.
»Wo sind wir?«, murmelt sie, während er erst die Decke und dann seinen Arm um sie legt, damit sie es richtig schön warm hat. »Ich kann noch immer nichts sehen.«
»Das wird sich gleich ändern. Du befindest dich auf einem Stück Erde des alten Englands. Morgen werden Tausende von Hippies hierherströmen, aber heute, jetzt, gehört es uns. Nur dir
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