Das Strandhaus
versuchte, ob er ihr tatsächlich etwas antun würde. »Wie kannst du Menschen töten, Menschen, die du kennst, und behaupten, es machte nichts?«
»Es macht nichts«, wiederholte Buddy stumpfsinnig, als spräche er mit einer Dreijährigen. »Weil ich hier sowieso nicht wohne.«
»Was? Du wohnst nicht in diesem Strandhaus?«
Er schüttelte den Kopf und kicherte leise. Die Idee kam ihm anscheinend lustig vor. »Niemand wohnt in diesem Haus«, sagte er geheimnisvoll.
Wie komme ich hier raus?, fragte Amy sich, versuchte verzweifelt, einen klaren Gedanken zu fassen und den Nebel der Angst aus ihrem Kopf zu verdrängen, damit sie einen Plan schmieden konnte.
Los, denk nach! Schnell!
Buddy trat einen Schritt in die Küche. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.
»Wenn du hier nicht wohnst, wo wohnst du dann?«, wollte Amy wissen.
Halte ihn hin. Rede mit ihm. Lenk ihn ab! Es ist deine einzige Chance.
Ach, Amy, du bist so dumm gewesen, schimpfte sie im Stillen mit sich selbst. Du warst direkt an der Tür. Du warst so nahe daran, ihm zu entkommen.
Warum bist du in die Küche gerannt? Warum bist du in einen Raum geflohen, der keinen Ausgang hat?
»Wo wohnst du wirklich?«, wiederholte sie. Ihre Stimme klang hoch und schrill, enthüllte ihre panische Angst.
Buddy gab keine Antwort.
Sprich weiter, Buddy, flehte Amy stumm. Bitte sprich weiter.
»Nein, wirklich«, meinte sie. »Sag es mir. Wenn du hier nicht wohnst, wo dann?«
»Hier wohnt niemand«, erwiderte Buddy in einem brüsken, erschreckenden Ton. »Hier sterben sie alle.«
Er machte noch zwei Schritte auf sie zu.
Er hatte die Küche schon halb durchquert.
Ich muss versuchen, ihn auszutricksen, dachte Amy. Ich habe nicht mehr viel Zeit.
Ihr fiel nur der älteste Trick der Welt ein.
Plötzlich schaute sie über Buddys Schulter hinweg, starrte in das angrenzende Zimmer und stieß einen überraschten Schrei aus.
»Ronnie! Du lebst! Ist alles okay?«
Verblüfft fuhr Buddy zur Tür herum.
Und in dem Moment stieß Amy sich von der Anrichte ab und raste zur Tür, so schnell sie konnte.
Amy prallte hart gegen Buddy, als sie an ihm vorbeilief.
Er schrie auf, mehr vor Überraschung als vor Schmerz.
Sie kam ins Stolpern, rappelte sich wieder auf und rannte zur Tür hinaus.
Buddy zögerte nur eine Sekunde, bevor er hinterherlief.
Amy erreichte die Glastür und zog mit beiden Händen verzweifelt an dem Griff. Sie keuchte so heftig, dass ihre Brust schmerzte.
Sie konnte das Blut in ihren Schläfen pulsieren fühlen.
Die Tür leistete Widerstand. Amy zog noch einmal, zerrte mit aller Kraft an dem Griff, und die Tür glitt auf.
Und dann war sie auf der Veranda, deren Bretter schlüpfrig vom Regen waren.
Ich bin draußen!, jubelte sie innerlich. Ich bin draußen!
Aber sie hatte keine Zeit, ihre Flucht zu feiern. Buddy war direkt hinter ihr. Sie hörte seine Turnschuhe über die hölzerne Plattform poltern, als sie die Treppe hinunterstürzte, den Sand erreichte und davonrannte.
Wo war Buddy?
Unmittelbar hinter ihr? Holte er sie ein?
Ihre Brust war kurz davor, vor Schmerz zu explodieren, ihre Beine fühlten sich schwer an, so schrecklich bleiern, dass sie sie zu jedem Schritt förmlich zwingen musste. Amy spähte zurück.
Sah Buddy nach der Schaufel mit dem langen Stiel greifen, die an der Hauswand lehnte.
Sah ihn die Schaufel mit einer Hand schwenken, als er ihr nachrannte, seine Augen wild vor Wut, sein Mund geöffnet in einem stummen Schrei.
»Hilfe! Um Gottes willen, Hilfe!«, schrie Amy aus Leibeskräften.
Ihre Worte schienen geradewegs zur ihr zurückzufliegen, zurückgeworfen von dem stürmischen Wind.
Sie rannte über den nassen Sand, und ihre Sandalen warfen im Laufen dicke Sandklumpen auf.
Buddy kam näher.
Lauf weiter, lauf weiter!
»Hilfe! Hilfe!«
Aber der Strand war verlassen. Niemand zu sehen. Noch nicht einmal eine Seemöwe war da, um das verzweifelte Wettrennen zu beobachten, Amys Schreie zu hören.
Weiter, weiter! Kalter, nasser Sand knirschte unter ihren Sandalen. Der Ozean schäumte zu ihrer Rechten. Die leeren Dünen erhoben sich zu ihrer Linken.
Es war niemand da. Keine Menschenseele in der Nähe.
Der Regen setzte wieder ein.
Und Buddy holte auf. Sie konnte seinen Atem hinter sich hören, ein lautes, rhythmisches Keuchen. Sie konnte seine Turnschuhe über den Sand stampfen hören,
Ihre Brust war kurz vorm Zerspringen. Amy wusste, ihre Brust würde zerbersten. Sie tat so weh. Alles tat ihr weh.
Lauf weiter, los, lauf
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