Das Strandhaus
Amy«, sagte er ruhig und so leise, dass sie sich anstrengen musste, um ihn über das Tosen der Wellen zu verstehen.
Keine Sorge, dachte sie. Er wird mich jetzt hier herausholen.
Er wird mich nicht meinem Schicksal überlassen.
»Keine Sorge«, wiederholte Buddy. »Die Flut steigt unglaublich schnell. In ein paar Minuten wird das Wasser bis über deinen Kopf reichen. Du wirst nicht lange leiden.« Amy konnte nur seine Beine sehen. Die nassen Jeans, die an seinen Beinen klebten. Die weißen Turnschuhe, die sich zum Strand hinaufbewegten.
Und dann konnte sie ihn nicht mehr sehen. Und das Wasser war bis zu ihren Schultern gestiegen.
»See you later, alligator«, hörte sie Buddy, von irgendwoher rufen. »Du bist ein echt steiler Zahn. Aber jetzt muss ich nach Hause.«
Buddy kletterte eilig die Stufen zur Veranda hinauf und trat ins Haus. Er schob die Glastür hinter sich zu, blockte das Geräusch von Amys letzten, verzweifelten Schreien ab.
9. Kapitel
Sommer 1995
Ashley blieb am Fuß der Verandatreppe stehen und schaute zu dem alten Strandhaus hoch, das sich als schwarzer Schatten gegen den violetten Abendhimmel abzeichnete. Ich will nicht ganz allein mit Brian in dem Haus sein, entschied sie und fühlte einen angstvollen Schauder den Rücken herunterrieseln.
Wellen, dunkel wie Öl, rollten unter das Haus und leckten an den Stützpfeilern hinauf. Vom Meer blies ein stürmischer Wind herüber, der einen Geruch nach Fisch und Tang mit sich brachte.
»Komm schon. Ich brenne darauf, dir mein Geheimnis zu zeigen«, drängte Brian, während er an Ashleys Hand zerrte und sie die Stufen hinaufzuziehen versuchte.
Das Haus bewegte sich plötzlich leicht auf seinen Pfählen und knirschte laut, als wollte es Ashley davor warnen, hineinzugehen.
»Brian, es ist schon spät«, begann sie und versuchte, zurückzuweichen.
»Komm mit, Ashley. Ich muss es dir unbedingt zeigen.«
»Meine Eltern werden ausrasten, wenn ich nicht bald komme. Ich muss jetzt wirklich nach Hause.«
Er schob enttäuscht die Lippen vor.
»Sag mir doch, was du da im Haus hast«, meinte sie hastig. »Erzähl mir dein Geheimnis. Du kannst es mir doch ein andermal zeigen.«
Sein unglücklicher Ausdruck veränderte sich nicht. Er blickte auf die dunklen, aufgewühlten Wellen hinaus. »Nein, ich kann es dir nicht sagen. Ich muss es dir zeigen«, erwiderte Brian leise. Er hockte sich auf die oberste Treppenstufe, und das alte Holz knarrte unter seinem Gewicht. Er klopfte auf den Platz neben sich und winkte Ashley, sich zu ihm zu setzen.
»Ach, Brian, es wird kalt«, protestierte sie.
Trotzdem, sie konnte seine unglückliche, enttäuschte Miene nicht ertragen. Gehorsam hockte sie sich neben ihn auf die Treppenstufe.
»Ich möchte dieses Geheimnis wirklich mit dir teilen«, sagte Brian, während er auf den Ozean hinausstarrte. »Nur mit dir. Ich würde sonst keiner Menschenseele davon erzählen.«
Ashley rutschte unbehaglich auf der harten Stufe herum. Von irgendwoher stieg ihr der penetrante Geruch von Benzin in die Nase.
»Du solltest nicht zu ernsthaft werden«, begann sie vorsichtig.
Er drehte den Kopf zu ihr um. Seine Augen blickten verwirrt.
»Was mich betrifft, meine ich«, sagte Ashley, während sie verlegen eine ihrer langen blonden Haarsträhnen um den Finger wickelte. »Du solltest unsere Freundschaft wirklich nicht zu ernst sehen. Schließlich sind wir erst ein paarmal miteinander ausgegangen.«
»Hey, ich meine es aber ernst«, erwiderte Brian. »Sehr ernst, Ashley.« Er legte einen Arm um ihre Taille. »Ich meine es immer ernst. Hast du das an mir noch nicht bemerkt?«
»Komisch, wieso rieche ich Benzin?«, fragte sie in einem nicht sehr geschickten Versuch, das Thema zu wechseln.
Brian zuckte die Achseln. »Vielleicht sind ein paar Motorboote hier vorbeigerauscht. Oder Leute mit Jet Skis. Irgendwas in der Art.«
»Brian, könnten wir …?« Ashley wollte jetzt wirklich nach Hause. Ihr war kalt und unbehaglich zumute, und Brians hartnäckiges Streben, sie in das Haus hineinzulocken, beunruhigte sie.
»Ich möchte dir etwas über mich erzählen«, sagte er, den Arm immer noch Besitz ergreifend um ihre Taille geschlungen. »Vielleicht hilft es dir, mich ein bisschen besser zu verstehen.«
»Also, ich …« Sie merkte, dass er ihr Unbehagen ignorierte.
Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein, in irgendwelche Erinnerungen versunken. Seine Augen wurden schmal, sein Blick war auf die Ferne konzentriert, als sähe er dort
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