Das Strandhaus
weiter!
Es muss doch irgend jemand in der Nähe sein, dachte sie. Jemand, der einen Strandspaziergang macht.
Jemand, der Buddy aufhalten kann.
Jemand, der mich vor ihm retten kann.
Sein Keuchen wurde lauter, kam noch näher.
Amy keuchte jetzt ebenfalls. Tränen strömten über ihre Wangen, und sie rang mühsam nach Luft.
Und der Wind peitschte ihr kalten Regen ins Gesicht.
Sie beugte sich im Laufen weit vor, blinzelte in den Regen.
Buddy war ihr jetzt dicht auf den Fersen.
Und kam mit jeder Sekunde näher. Noch näher.
Amy schrie entsetzt auf, als sie stolperte und hart auf Ellenbogen und Knien im Sand landete.
Sie blickte hoch und sah Buddy die Schaufel mit beiden Händen in die Luft schwingen.
Mit einem wilden, bösartigen Laut ließ er das schwere Schaufelblatt auf ihren Kopf niedersausen.
Dunkelheit hüllte Amy ein, schwärzer und undurchdringlicher als jede Finsternis, die sie je gesehen hatte. Der Schmerz ließ nicht nach, als sie schließlich die Augen öffnete.
In ihrem Hinterkopf pochte es. Der vibrierende, grelle Schmerz lief ihren Nacken hinunter und den ganzen Weg über ihr Rückgrat hinab. Schwindelig vor Schmerz schloss Amy wieder die Augen.
Das Gefühl des Wassers brachte sie zurück.
Der kalte Schock des Wassers.
Sie riss die Augen auf, als ihr klar wurde, dass sie bis zur Taille im Meer stand.
Die grünlichen Wellen schwappten auf sie zu, schubsten sie, leckten an ihr hoch und wichen dann zurück, um gleich darauf wieder auf sie zuzuspringen.
Erst als sie zu schwimmen versuchte, begriff sie, dass ihre Hände hinter dem Rücken gefesselt waren. Sie drehte sich mühsam um und entdeckte, dass sie mit einem dicken Tau an eine Art Holzpfosten gebunden waren.
Amy versuchte zu schreien, doch wieder rollten die Wellen heran, und sie schluckte einen Mund voll Wasser. Hustend und keuchend versuchte sie wieder zu Atem zu kommen und den widerlichen Salzgeschmack auszuspucken.
Der Schmerz hörte nicht auf, in ihrem Kopf schienen tausend Glocken zu schrillen. Aber sie war jetzt wach. Hellwach und im Alarmzustand.
Und sie wusste, wo sie war.
Amy wusste, dass sie sich unter dem Strandhaus befand, mit beiden Händen fest an einen der Stützpfeiler gefesselt.
Und sie wusste, die Flut kam herein. Die Wellen sprangen höher. Das Wasser ging ihr bereits bis über die Taille.
Sie sah jetzt alles ganz deutlich. Doch der Schmerz wollte ihr nicht erlauben, nachzudenken. Der grelle Schmerz hinderte sie daran, einen Fluchtplan zu entwerfen.
Sie fing an zu schreien – ein tierhaftes Heulen, hoch und verängstigt, das kaum das ständige Rauschen der Brandung übertönen konnte.
Amy hörte abrupt auf zu schreien, als sie Buddy wenige Meter von sich entfernt auf dem Sand stehen sah. Das Wasser spielte um seine Turnschuhe. Er stand neben dem Haus, die Hände auf die Knie gestützt, und spähte zu ihr herunter.
Beobachtete ihre Angst. Weidete sich an ihrem Schmerz.
Und lächelte.
Amy starrte zu ihm hoch, während sie sich verzweifelt abmühte, das Seil zu lockern, das sie an den Pfeiler fesselte.
»Niemand kann dich hören«, sagte Buddy ruhig und beiläufig, als machte er eine Bemerkung über das Wetter.
»Lass mich gehen!«, bat sie.
Der Schmerz in ihrem Hinterkopf ließ sie zusammenzucken und einen Wimmerlaut ausstoßen. Was war das warme Rinnsal in ihrem Nacken? Blut?
»Niemand kann dich jetzt retten«, meinte er nüchtern. Er trat einen Schritt vor, bis das Wasser an seinen Knien hochleckte.
»Lass mich gehen! Bitte, Buddy!«
»Du hast mich im Ozean zurückgelassen«, erwiderte er, ohne sich um ihren schrillen, angstvollen Schrei zu kümmern. »Ihr alle habt mich im Ozean zurückgelassen. Ihr habt mir einfach meine Badehose weggenommen und habt mich im Stich gelassen.«
»Aber, Buddy …«
»Und dann seid ihr weggegangen. Ihr seid einfach weggegangen.«
Kopfschüttelnd drehte er sich um und ging zurück auf den Sand.
»Nein! Buddy! Komm zurück. Komm zurück!«, flehte Amy.
Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und ging unbeirrt weiter.
»Buddy, bleib stehen! Wo gehst du hin?«
Er hielt inne und wandte sich zu ihr um. »Ich gehe weg, Amy. Ich gehe einfach weg, so wie ihr es auch getan habt.«
»Nein, Buddy! Das kannst du nicht! Du kannst mich hier nicht zurücklassen. Bitte, Buddy! Bitte!«
Er bückte sich und schaute unter das Haus.
Er kommt zurück, dachte Amy. Er wird mich doch noch retten. Er wird mich nicht ertrinken lassen. Er will mir nur Angst einjagen.
»Keine Sorge,
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