Das stumme Lied
Fisherman? Sie war in jener Nacht ungefähr genauso gekleidet wie bei ihrem Waldspaziergang mit Keith. Würden sich die Männer daran erinnern, sie mit dem Australier gesehen zu haben, daran, wie sie zu Grimley hinübergeschaut hatte, als würde sie ihn kennen? Und hatte sie jemand mit Keith in Staithes gesehen? Zuerst hatte sie ihre neue Garderobe getragen, dann hatte sie sich in der Toilette umgezogen. Was, wenn jemand die eine Frau mit der anderen in Verbindung brachte?
Die Polizei könnte ihr tatsächlich sehr bald auf die Spur kommen, wurde ihr klar. Sie musste schnell handeln. Jetzt, da sie den richtigen Mann aufgespürt hatte, gab es keinen Grund mehr, abzuwarten und zu riskieren, dass sie am Ende für den Mord an Jack Grimley verhaftet wurde. Die Zeit arbeitete eindeutig gegen sie, wie ein Schlachtross nahte sie heran. Und was war mit Keith? Er könnte jeden Augenblick aus dem Koma erwachen. Würde er noch in der Lage sein, sie zu identifizieren, oder würde seine Erinnerung an das Geschehene verloren sein, wie ihre eigene es lange Zeit war? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie ihren Mann gefunden hatte und dass sie nun schnellstens einen Weg finden musste, ihn herauszulocken, da sonst ihre gesamte Mission auf dem Spiel stand.
Eine zickige Frau, die gerade hereingekommen war und sich an den Nachbartisch gesetzt hatte, schaute sie neugierig an. Es war wohl an der Zeit, die Örtlichkeiten zu wechseln. In diesem Pub und in dem nah gelegenen Café war sie schon viel zu häufig gewesen.
Sie trank noch einen Schluck Brandy; er wärmte ihre Kehle und beruhigte ihren nervösen Magen. Sollte sie ins Krankenhaus in Scarborough gehen, in Keiths Zimmer schleichen und ein Kissen auf sein Gesicht pressen? Konnte sie das? Hatte sie die Nerven dazu? Doch sie erinnerte sich, dass ihr Angreifer in einer ähnlichen Situation versucht hatte, zu ihr zu gelangen, und gescheitert war. Es würde Polizeiwachen geben; die Sicherheitsvorkehrungen würden viel zu streng sein, als dass sie eine Chance hätte, zu ihm durchzukommen. Nein, das stand nicht zur Debatte. Sie konnte nur hoffen, dass er sich nicht erholen würde.
In ihrem Zimmer lag noch immer die alte Reisetasche, die sie bisher nicht losgeworden war. Darum konnte sie sich kümmern, während sie einen Plan ausarbeitete, wie sie mit »Greg« umgehen sollte. Dann würde sie schnell die Stadt verlassen müssen, denn es wäre töricht, zu bleiben, um sich am Resultat ihrer Taten zu weiden. Sie würde aus der Ferne darüber lesen und ihren Erfolg auskosten müssen, so wie jeder andere.
* 42
Kirsten
Nachdem Sarah fort war, blieben Kirsten nur noch ihre Ängste und ein stetig wachsendes Gefühl für ihre Mission. Ende Januar hatte der Mörder sein viertes Opfer gefordert, eine Biologiestudentin im zweiten Jahr namens Jane Pitcombe. Vorsichtig schnitt Kirsten ihr Bild und alle Artikel aus, die sie über den Mord finden konnte, und steckte sie in das Album, das sie angelegt hatte, um einen Überblick über die Opfer zu behalten.
In diesem Monat sagte sie auch Laura Henderson, dass sie die Hypnotherapie beenden wolle, weil die Sitzungen zu schmerzhaft für sie geworden seien. In Wahrheit befürchtete sie, dass sie Laura verraten könnte, was sie dabei entdeckte, und dass die Polizei den Mörder zuerst finden würde. Kurz nachdem Sarah abgereist war, war ihr klar geworden, dass sie ihn für sich haben wollte. Das war der einzige Weg, um ihre Wunden zu heilen und die Seelen von Margaret, Kathleen und Jane zur Ruhe kommen zu lassen. Es war nicht schwer, Laura davon zu überzeugen, die Hypnose zu beenden; schließlich würde die Polizei keine bessere Beschreibung des Mörders erhalten.
Es war wichtig, jeden so gut es ging zufrieden zu stellen, und zu diesem Zweck las sie schließlich Galens Briefe und schrieb ihm eine lange, fröhliche, jedoch unverbindliche Antwort. Sie entschuldigte sich, nicht schon früher geschrieben zu haben, erklärte aber, dass sie gerade erst eine längere depressive Phase überwunden hatte.
Außerdem teilte sie ihm mit, dass sie ihr Studium fortsetzen wolle, wahrscheinlich wieder im Norden. Kanada sei einfach zu weit weg von zu Hause, um im Moment für sie in Betracht zu kommen. Sie sei sich sicher, dass er das verstehen würde.
Der Februar, trist und kalt, kam und ging. Kirsten verbrachte viel Zeit in ihrem Zimmer, wo sie über die dunklen Stellen in ihrem Kopf nachgrübelte und versuchte, Wege zu
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