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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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zu haben. Sie musste sie früher mal besessen haben, nahm sie an, obwohl sie sich nicht erinnern konnte, wann. Am besten überließ sie Keith das Reden und reagierte, so gut sie konnte. Sie holte die Zigaretten aus ihrer Tasche und bot ihm eine an.
      »Danke, ich rauche nicht«, sagte er. »Aber bitte, rauchen Sie nur.«
      Sie zündete sich eine Rothmans an, bemerkte, dass sie bald eine neue Schachtel brauchen würde, und nahm ihren Drink.
      »Tja ...«, sagte Keith.
      Da Martha den Eindruck hatte, sie sollte etwas sagen, drehte sie schnell den Spieß um. »Was ist mit Ihnen? Was haben Sie so gemacht?«
      »Ach, ich bin nur ein bisschen herumgelaufen, die übliche Runde. Eine Weile saß ich am Strand. Ich war sogar kurz schwimmen. Ist mir ganz neu, dass es hier so warm ist.«
      »Es ist ungewöhnlich«, stimmte Martha zu.
      »Ich werde die Küste rauf nach Schottland reisen. Aber das habe ich schon erwähnt, glaube ich.«
      Martha nickte.
      »Auf jeden Fall ist es ein perfekter Urlaub. Keine Zeitungen, kein Radio, kein Fernsehen. Ich will nicht wissen, was in der Welt los ist.«
      »Meist ohnehin nichts Gutes«, meinte Martha.
      »Das ist leider nur zu wahr. Und was ist mit Ihnen? Ich bin neugierig. Warum sind Sie ganz allein hier? Oder ist das eine unhöfliche Frage?«
      Martha war kurz davor, ja zu sagen, ja, das war eine unhöfliche Frage. Aber das würde ihn nur reizen. Viel leichter war es zu lügen. Ihr fiel ein, dass sie ihm alles erzählen konnte, was sie wollte, alle möglichen Geschichten - dass sie zum Beispiel in Mozambique lebte und sich davon erholte, Safaris zu organisieren, oder dass sie ihrem Ehemann davongelaufen war, einem arabischen Scheich, an den sie als junges Mädchen verkauft worden war und der sie in einem Harem hielt. Sie könnte ihm erzählen, dass sie sich nach dem letzten Willen ihres Vaters auf einer Weltreise befand, einem milliardenschweren Waffenhändler, der ihr sein gesamtes Vermögen hinterlassen hatte. Es war ein erregendes Gefühl, ein Gefühl von ungemeiner Macht und Freiheit. Doch besser hielt sie ihre Geschichte einfach und glaubwürdig, entschied sie dann und erzählte ihm, dass sie für ein Buch recherchierte.
      »Dann sind Sie also Schriftstellerin?«, fragte er. »Dumme Frage, wenn Sie an einem Buch arbeiten, werden Sie wohl eine sein.«
      »Na ja, ich bin nicht berühmt oder so. Es ist mein erstes Buch. Sie werden nicht von mir gehört haben.«
      »Vielleicht eines Tages, wer weiß?«
      »Wer weiß? Aber es ist ein historisches Buch, im Grunde eher eine wissenschaftliche Studie. Ich meine, es wird kein Roman oder so.«
      »Worum geht es?«
      »Schwer zu sagen. Teilweise geht es um die frühe Christianisierung, besonders hier an der Ostküste. Sie wissen schon, Bede, Caedmon, St. Hilda, die Synode von Whitby.«
      Keith schüttelte langsam den Kopf. »Da komme ich leider nicht mehr mit. Ich bin nur ein einfacher australischer Jurastudent. Klingt aber faszinierend.«
      »Ist es auch«, sagte Martha, froh, dass er nicht mehr mitkam. Mit etwas Glück würde es keine weiteren Fragen mehr über ihre Beschäftigung geben. Sie rauchte ihre Zigarette auf und trank dann ihr Glas leer. Keith ging sofort los, um eine neue Runde zu holen.
      »Wissen Sie etwas über die Fischerei hier?«, fragte Martha, nachdem er zurückgekommen war.
      Er musterte sie. Seine Augen waren wirklich derart strahlend blau, als hätte er so lange in den blauen Himmel und aufs Meer geschaut, bis sie die Farbe des Wassers und der Luft angenommen hatten. »Fischerei? Komische Frage. Nein, kann ich wirklich nicht behaupten.«
      »Ich wollte nur zuschauen, wie sie den Fang einbringen, das ist alles«, sagte sie schnell. »Das soll sehr interessant sein. Sie bringen den Fisch in diese lange Halle am Hafen und versteigern ihn dort.«
      »Das wird am Freitag sein«, sagte Keith.
      »Fisch am Freitag? Soll das ein Witz sein?«
      Keith lachte. »Nein. Ich habe nur gehört, dass die Fischer sonntags auslaufen und freitags zurückkehren. Dann wird also der Fang eingebracht. Auf jeden Fall von den großen Schiffen. Kleine Fischkutter laufen jeden Tag aus, aber die haben so wenig zu verkaufen, dass vor Sonnenaufgang schon alles vorbei ist.«
      Martha dachte einen Moment nach, stellte im Geiste Berechnungen an und versuchte sich zu erinnern, was an welchem Tag geschehen war. Derjenige, den sie suchte, muss ein eigenes kleines Boot haben,

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