Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
schloss sie. Sobald sie wusste, wo sie suchen musste, dürfte es leicht zu finden sein. Bestimmt existierte irgendein Register ...
      »Es ist nur noch wenige Tage bis dahin«, sagte Keith. »Schade, dass ich dann nicht mehr hier bin. Man muss früh am Morgen aufstehen, um die Schiffe einlaufen zu sehen, aber die Auktionen dauern eine ganze Weile.«
      »Was? Entschuldigen Sie.«
      »Um die Schiffe einlaufen zu sehen. Ich sagte, man muss früh aufstehen. Sie kommen vor Sonnenaufgang.«
      »Ach so, die Seemöwen werden mich bestimmt wecken.«
      Keith lachte. »Die machen einen Höllenlärm, die kleinen Viecher, oder? Sagen Sie, kommen Sie hier aus der Gegend?«
      »Aus Yorkshire? Nein.«
      »Ich dachte auch, dass Sie einen anderen Dialekt haben. Woher kommen Sie denn?«
      »Exeter«, log Martha.
      »War ich nie.«
      »Da haben Sie auch nicht viel versäumt. Einfach eine Stadt wie alle anderen. Erzählen Sie mir von Australien.«
      Und Keith erzählte. Das stellte beide zufrieden. Keith konnte seinem Heimweh Ausdruck verleihen, indem er vom Leben in Sydney erzählte, und Martha konnte Interesse heucheln. Der Abend wurde allmählich zur Farce für sie, und sie fragte sich, warum sie sich überhaupt auf ein Treffen mit ihm eingelassen hatte. Zudem kamen ungute Erinnerungen dabei hoch, vor allem aus ihrer Teenagerzeit, wo man so tat, als würde man sich für die Angebereien der Jungen interessieren, nur um dann ihre Annäherungsversuche abzuwehren, solange man es für richtig hielt. Würde Keith am Ende genauso sein wie alle anderen? Den letzten Gedanken verdrängte sie sofort wieder.
      »... so billig wie eine Ratte mit einem Goldzahn«, sagte Keith gerade. »Aber das ist die Meinung der Leute aus Melbourne. Es überrascht nicht besonders, dass Sydney auf sie wie eine grelle Hure wirkt. Melbourne ist eher wie ein Dienstmädchen mit Stützstrümpfen ...«
      Das Lokal füllte sich. Die meisten Tische waren bereits belegt, drei Männer hatten gerade begonnen, Darts zu spielen. Martha nickte immer an den richtigen Stellen. Bald bemerkte sie, dass sie ihr zweites kleines Bier ausgetrunken hatte.
      »Noch eins?«, fragte Keith.
      »Wollen Sie mich betrunken machen?«
      »Warum sollte ich?«
      »Um mich gefügig zu machen.«
      Keith wurde rot. »Ich wollte nicht ... Ich meine, ich ...«
      Sie winkte ab. »Egal. Ja, ich nehme noch eins, wenn Sie möchten.«
      Während er an der Theke war, hörte Martha zum ersten Mal diese Stimme. Der Klang ließ sie aufhorchen und schnürte ihr die Kehle zu. Unauffällig schaute sie sich um. Jetzt spielten nur noch zwei Männer Darts, und es war einer von ihnen, der gesprochen hatte. Er war klein und dunkel und trug einen marineblauen Fischerpullover. Er sah aus, als hätte er sich seit ein paar Tagen nicht rasiert, und unter seinem zerfransten Pony schienen seine Augen unnatürlich zu funkeln. Wie der alte Matrose bei Coleridge. Er bemerkte Marthas Blick und erwiderte ihn. Schnell wandte sie sich ab.
      Keith kam mit den Getränken zurück und entschuldigte sich, um auf die Toilette zu gehen.
      Martha drehte ihren Kopf wieder langsam um und versuchte, den Mann von der Seite zu betrachten. Hatte er sie erkannt? Sie glaubte nicht. Dieses Mal war er so darauf konzentriert, den Pfeil zu werfen, dass er ihren Blick nicht bemerkte. Konnte er es wirklich sein?
      »Kennen Sie ihn?«
      Martha machte bei dem Klang von Keiths Stimme beinahe einen Satz. Sie hatte nicht gemerkt, dass er zurückgekommen war. »Nein. Wie kommen Sie darauf?«
      Keith zuckte mit den Achseln. »Nur durch die Art, wie Sie ihn anschauen.«
      »Selbstverständlich kenne ich ihn nicht«, sagte Martha. »Das ist mein erster Tag hier.«
      »Sie haben ihn nur ziemlich eindringlich angestarrt. Vielleicht haben Sie ihn mit jemandem verwechselt?«
      »Wie gesagt, ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Lassen wir das Thema, ja?«
      »Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?«
      »Ja, mir geht es gut«, sagte Martha. Und das war wahrscheinlich das Ehrlichste, was sie ihm an dem ganzen Abend gesagt hatte. Jetzt, da sie etwas Konkretes hatte, an dem sie arbeiten konnte, schien sie ihre Gedanken besser konzentrieren zu können. Andererseits spürte sie, wie sie sich immer weiter von Keith entfernte. Es fiel ihr schwerer, seinem Gespräch zu folgen und auf angemessene Weise zur richtigen Zeit zu reagieren. Er wurde immer mehr zu einer lästigen

Weitere Kostenlose Bücher