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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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nahmen nicht einmal Notiz von ihnen.
      In den Auktionshallen ging es an diesem Freitagmorgen zu wie in einem Bienenstock. In aller Frühe waren die Fischkutter eingelaufen, dann hatten die Fischer ihren Fang in Kühlboxen umgepackt und zum Verkauf fertig gemacht. Neben den Hallen waren Krabbenkisten aufgestapelt und Netze ausgebreitet worden. Während Martha zuschaute, spritzte ein Mann Fischschuppen vom steinernen Kai. Möwen sammelten sich zu einem zeternden Schwarm, und hin und wieder stieß eine herab und schnappte sich einen heruntergefallenen Fisch.
      Natürlich wurde der Fisch hier nur verkauft, stellte Martha fest, gesäubert und ausgenommen wurde er nicht. Das musste irgendwo anders geschehen - vielleicht in den Konservenfabriken, zu denen die beladenen Lastwagen aufbrachen. Wie wenig sie doch im Grunde von diesem Geschäft wusste.
      Aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr, oder? Seltsam, dass sich letztlich herausgestellt hatte, dass er kein Fischer war. Alles konnte man eben nicht wissen. Dennoch musterte sie die Fischer am Geländer und die Auktionatoren und Käufer in den offenen Hallen, während sie herumging und beim Verkauf zuschaute. Das war ihr ursprünglicher Plan gewesen, und sie verfolgte ihn nun trotzdem weiter, auch wenn es keine Notwendigkeit mehr dazu gab.
      Martha fühlte sich seltsam benommen und benebelt, als sie die Straße hinab zur Brücke ging. Nachdem die Möwen sie geweckt hatten, hatte sie nicht mehr gut geschlafen, außerdem verfolgte sie der Gedanke an das, was sie getan hatte. Zum Frühstück war sie sehr hungrig gewesen und hatte sogar das geröstete Brot gegessen, das sie sonst liegen ließ.
      Das alte Paar am Fenstertisch war immer noch da gewesen, er grinsend und nun sogar zwinkernd, während seine Frau mit ihren misstrauischen Augen finster dreingeblickt hatte. Alle anderen Gäste waren jedoch abgereist oder hatten sich in jemand anderen verwandelt. Martha hatte Mühe, den Überblick zu behalten. Die Gäste begannen sich allesamt zu gleichen: ernste junge Paare in den Flitterwochen; müde, aber optimistische Paare mit boshaften Gören; alte Leute mit grauen Haaren und Raucherhusten. Sie fühlte sich genauso wie bei dem einen Mal, als sie Marihuana probiert hatte. Sie konnte mehr spüren, mehr sehen, jede Falte im Gesicht, die Farbtupfer in den Augen, doch letzten Endes wurde alles eins. Je individueller die Leute für sie wurden, desto mehr ähnelten sie einander.
      Sie überquerte die Brücke, kaufte eine Zeitung und ging die Church Street hinauf. Es war zur Routine geworden. Trotzdem war es für sie an diesem Morgen noch wichtiger, zu sich zu kommen, als sonst; wichtige Entscheidungen mussten getroffen werden. Im Monk's Haven trank sie starken, schwarzen Kaffee und rauchte eine Zigarette, während sie ihr Gehirn beim Kreuzworträtseln trainierte. Dann blätterte sie durch die Zeitung und las die Überschriften, um sich zu erkundigen, ob in der Welt irgendetwas Interessantes vor sich ging. Das war nicht der Fall.
      Nur für einen kurzen Moment, nachdem sie mit der Zeitung fertig war, noch etwas Kaffee in der Tasse und nicht ganz aufgeraucht hatte, erlaubte sie sich, an den vergangenen Abend zu denken. Es war furchtbar gewesen, eine Million Mal schlimmer als alles, was sie sich vorgestellt hatte. Sie konnte noch die Bewegung der losen Knochensplitter unter ihren Fingern spüren, genauso die weiche, breiige Masse an seiner Schädeldecke, die sich wie ein feuchter Schwamm angefühlt hatte. Es tat ihr nicht Leid - er hatte all das verdient -, doch sie war entsetzt und erstaunt, dass sie es tatsächlich fertig gebracht hatte. Nachdem sie die Leiche in der Höhle zurückgelassen hatte, war sie hinunter zum Meer gelaufen und hatte erneut ihre Hände und den Briefbeschwerer abgewaschen, ehe sie in die Pension gegangen war. Unterwegs hatte sie keine Menschenseele gesehen. Die Tür hatte sich leise in ihren geölten Angeln geöffnet und der Teppich hatte ihre Schritte zu ihrem Zimmer gedämpft. Kaum in Sicherheit hatte sie dreimal ihre Zähne geputzt, ohne jedoch den bitteren Geschmack des Erbrochenen loszuwerden. Selbst jetzt, nach dem Frühstück, nach Kaffee und Zigaretten, musste sie immer noch würgen, wenn sie sich an Grimleys zuckenden Körper im Sand und an diese langen Minuten in der feuchten, stinkenden Höhle erinnerte: das Blut, das starrende Auge.
      Mittlerweile würde die Flut die Leiche hinaus aufs Meer getragen haben. Sie wollte, dass sie

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