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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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gut ... äh ... wollen wir dann los?«
      »Hast du nichts weiter dabei?«
      »Was soll ich denn dabeihaben? Lieber Gott, für so einen einfachen Spaziergang muss man doch nichts mitnehmen.« Er musterte sie von oben bis unten. »Du könntest sogar in deinem Aufzug losgehen, obwohl ich es nicht empfehlen würde. Nein, ich habe nur meine Karte dabei.« Er klopfte auf die Gesäßtasche seiner Jeans.
      »Ich meinte deine Sachen, deinen Rucksack und so weiter.«
      »Der ist in der Pension. Ich bin nur kurz durchs Dorf geschlendert. Nein, ich bin so bereit, wie ich bin.« Mit ausgebreiteten Armen stand er vor ihr: großgewachsen, schlank, mit schmalem Gesicht und braun gebrannt. Seine lockigen, dunklen Haare glänzten wieder, als wäre er gerade aus der Dusche gestiegen, und in seinen Augen spiegelte sich ein blaueres Meer als das, das vor ihnen lag.
      »Was meinst du damit, dass ich nicht richtig angezogen bin?«, fragte Sue.
      »War nur Spaß. Es ist keine schwierige Wanderung. Aber Röcke bleiben gerne an Dornen oder so hängen und in diesen Pumps werden dir die Füße höllisch wehtun.«
      »Warte hier einen Moment.«
      Sue eilte in die öffentliche Toilette, stellte sicher, dass niemand in der Nähe war, und ging in eine Kabine, um sich umzuziehen. Zuerst nahm sie die Perücke ab, kratzte sich danach erleichtert den Kopf, stieg anschließend in ihre Jeans und zog ein dunkelblau kariertes Hemd und ihre Turnschuhe an. Vorsichtig rollte sie die Perücke, den langen Rock, die weiße Bluse und die Strickjacke zusammen und steckte alles in ihre Tasche. Manchmal war es eine Plage, das verdammte Ding überallhin mitnehmen zu müssen, dachte sie, doch andererseits war die Tasche nicht besonders schwer, und wenn sie wollte, konnte sie sie am Riemen über der Schulter tragen.
      Für den Fall, dass es hoch oben auf den Klippen kühl wurde, legte sie die Steppjacke zuoberst auf die anderen Sachen. Schließlich kämmte sie sich in dem angeschlagenen, schmierigen Spiegel über dem Waschbecken die Haare und prüfte ihr Make-up. Nicht schlecht. Da sie den Tag nicht in Whitby verbringen wollte, hatte sie am Morgen ohnehin nicht zu viel aufgelegt, da war es jetzt überflüssig, sich komplett abzuschminken. Es könnte jemand hereinkommen. Sie tupfte nur schnell ihre Lippen mit Kleenex ab und lief dann hinaus zu Keith.
      »Dann geh mal vor«, sagte sie, machte einen Diener und ließ ihm den Vortritt.
      Keith lachte. »Bist du sicher, dass du keine Spionin oder Schauspielerin oder so bist?«
      »Ganz und gar nicht.« Sue schenkte ihm ein Lächeln, das geheimnisvoll sein sollte, dann gingen sie los.
      Neben der Missionskirche von St. Peter dem Fischer stiegen sie auf gewundenem Weg hinauf, folgten dann der Ausschilderung zum Cleveland Way, der an einigen Bauernhöfen vorbei und über ein paar Zaunübertritte direkt den Berg hinauf zum Klippenrand führte. Unter ihnen breitete sich das Dorf aus. Obwohl es ein klarer, warmer Tag war, drifteten aus manchen Schornsteinen träge Rauchfahnen. Oben auf der Klippe wehte eine kühle Brise vom Meer. Während sie anhielt, um zu verschnaufen, zog Sue die Steppjacke an, die sie in ihrer Tasche getragen hatte.
      »Was hast du in dem Ding?«, fragte Keith. »Dein Lebenswerk?«
      »So was in der Art.«
      Der ungesicherte Pfad führte nah am Klippenrand entlang und der Abgrund war jäh. Nachdem Keith stehen geblieben war, um ihr die Boulby Cliffs weiter die Küste hinauf zu zeigen, gingen sie im Gänsemarsch weiter. Der Pfad war zwar nicht befestigt, doch größtenteils ebenerdig, und bald fielen sie in einen angenehmen Gehrhythmus. Keith redete fast die ganze Zeit, wobei er seinen Kopf halb umwandte, um sie anzuschauen. Er erzählte, wie sehr ihm England gefiel, obwohl er immer noch Heimweh verspürte, und er erzählte von einer Leiche, die am Strand von Sandsend angespült worden sei, während er gerade dort übernachtet habe. Nein, genau gesehen habe er sie nicht. Als er bemerkt habe, dass etwas passiert war, habe sich eine Menge Schaulustiger versammelt, und die Polizei sei auch schon da gewesen.
      Jetzt stand für Sue fest, dass sie ihn umbringen musste. Er war einfach eine zu große Gefahr, als dass sie ihn laufen lassen durfte. Sie wusste nicht, wie die Polizei mit ihren Ermittlungen zu Grimleys Tod vorankam, sie war sich jedoch sicher, dass man sie ohne Keith nicht mit dem Toten in Verbindung bringen konnte. Vielleicht hatte Keith die Leiche nicht

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