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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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beobachtete Steve, der sich von der Verkäuferin einige Proben auf den linken Unterarm sprühen ließ und jedes Mal resigniert den Kopf schüttelte, nachdem er daran gerochen hatte. Die nächste Probe empfing er auf dem rechten Handrücken. Der Duft schien ihm zuzusagen. Tatsächlich gab er der Verkäuferin das Zeichen, den entsprechenden Flakon einzupacken. Das dauerte. Endlich hatte sie das rote Schleifchen zu einer imposanten Blüte zurechtgezupft. Steve bedankte sich, das Mädchen errötete, und dann kam er heraus, direkt auf Cording zu.
    »Ich hab dich im Spiegel beobachtet«, sagte Steve und lachte. Sie umarmten sich, gerade so lange, wie es nötig war nach all den Jahren. Da gab es kein kumpelhaftes Schulterklopfen, kein überflüssiges Wort. Für einige Sekunden schien die Welt um sie herum stillzustehen, selbst das aufgeregte Geschnatter in der Lobby verflüchtigte sich.
    »Lass uns einen zur Brust nehmen«, schlug Cording vor, »ich denke, das muss jetzt sein.«
    Er hatte seit fünf Jahren keinen Alkohol mehr angerührt, er hatte nicht einmal an Alkohol gedacht. Umso erstaunter war er, wie selbstverständlich es ihn nun in die Bar zog. Von den Tahitianern würde er dort niemanden vorfinden, und wenn, wäre es ihm heute auch egal. Mit Steve war das gute alte Europa zu ihm gekommen, und im guten alten Europa hieß es »Hoch die Tassen!«, wenn es einen Grund zu feiern gab. Der Name des Etablissements passte: »Blu Horizon Bar«. Sie setzten sich abseits der hohen Fensterfront in eine nur schwer einsehbare Ecke und studierten die Getränkekarte.
    »Alle Achtung«, bemerkte Cording und tippte auf die Seite mit den vierundzwanzig internationalen Biersorten, »sie haben sogar ein bayerisches Biobier. Die Australier wissen, worauf man eine zünftige Ökorepublik gründen muss.« Er klappte die Karte zu. »Heute ist mir allerdings nach einem gepflegten Whiskey zumute. Dir auch?« Steve nickte. Cording winkte der Kellnerin und gab die Bestellung auf. »Erzähl, wo warst du die letzten zwei Wochen? Ich habe mehrmals versucht, dich anzurufen.«
    »Ich war im Knast«, antwortete Steve und schnupperte an seinem Handrücken.
    »Du warst wo?!«
    »Im Gefängnis. Sie haben die ganze Redaktion verhaftet. Hast du zufällig die letzte Show gesehen?«
    »In der Shark die Monitorwand zertrümmerte?«
    »Genau die. Erinnerst du dich, was er zuvor gesagt hatte?«
    »Es ging um die Ölsandgewinnung in Kanada, das weiß ich noch.«
    »Er hat die Verantwortlichen zu Freiwild erklärt. Daraus haben sie uns einen Strick gedreht. Die GO!-Show gibt es nicht mehr. Verboten.«
    »Und wie bist du freigekommen?«
    »Wir sind alle freigekommen. Der Einfluss von Matlock Media ist eben nicht zu unterschätzen. Der Alte hat sich persönlich für uns eingesetzt. Aber er scheint ganz froh zu sein über die Entwicklung, die Show war nie sein Ding.«
    Die Bedienung brachte den Whiskey, sie stießen an.
    »Allzu schlau war das wirklich nicht, was sich Shark da geleistet hat«, bemerkte Cording, »schade um das Format. Habt ihr denn keine Rechtsabteilung, die die Beiträge vorher prüft? Die Texte wurden ihm doch geschrieben – hast du mir jedenfalls erzählt.«
    »Im Prinzip ja. Aber in letzter Zeit ist Shark dazu übergegangen, zu improvisieren. Die Sendung war ja live, da hast du dann keinen Einfluss mehr. Der Mann hat sich mit seiner Rolle im Laufe der Zeit total identifiziert. Für die Zuschauer war die GO!-Show im Wesentlichen eine Shark-Show. Ohne ihn hätten wir nie diese Aufmerksamkeit erregt. Ich finde, er hat seine Sache gut gemacht. Er tut mir wahnsinnig leid …«
    Cording fühlte sich plötzlich an Maevas Reaktion erinnert, die auch Mitleid mit dem Moderator empfunden hatte, als sie vor dem Laptop Zeuge seines gespielten Zusammenbruchs geworden war.
    »Das war nicht gespielt«, sagte Steve, als könne er Gedanken lesen. »Ich bin sicher, dass die meisten Leute seinen Ausraster lediglich für eine spektakuläre Showeinlage gehalten haben, mir ging es nicht anders. Aber der Bursche ist auf der Bühne echt kollabiert …«
    Cording orderte zwei weitere Drinks. »Wie geht es ihm denn jetzt?«, fragte er ein wenig verschämt.
    »Schlecht«, antwortete Steve. »Er sitzt in der geschlossenen Psychiatrie, niemand darf zu ihm. Ich hab mit den Ärzten gesprochen. Sie sagen, er weiß nicht einmal mehr, wer er ist. Kein Wunder bei den Hämmern, die sie ihm da verabreichen. Prost!«
    Sie leerten ihre Gläser in einem Zug und deuteten der

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