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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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vorbeieilenden Bedienung unisono an, dass sie noch lange nicht genug hatten.
    »Und in wessen Auftrag bist du hier, jetzt, da es die Show nicht mehr gibt?«, fragte Cording.
    »›Emergency Magazine‹. Ich hab schon des Öfteren für die geschrieben, aber du liest das Blatt ja nicht mehr, auf dessen Fluren deine Reportagen noch heute gerahmt aushängen. Ich kriege vor Ehrfurcht immer weiche Knie, wenn ich daran vorbeigehe«, scherzte Steve.
    Cording wollte seinen jungen Freund fragen, ob er überhaupt schreiben könne oder ob es bei »Emergency« inzwischen ausreiche, wenn die verstorbene Mutter früher Chefredakteurin des Blattes war. Aber die Drinks kamen, und so verkniff er sich die Bemerkung gerade noch. Wieder leerte er das Glas in einem Zug. Na endlich, endlich merkte er etwas. »Ich hab schon gedacht, das Zeug wirkt überhaupt nicht«, sagte er mit schwerer Zunge, »weißt du, was ich dich eben fragen wollte, mir aber Gott sei Dank verkniffen hab? Weil du vielleicht sauer werden könntest … Ich wollte fragen, ob du überhaupt schreiben kannst …«
    »Ich hab viel von dir gelernt«, erwiderte Steve, der in keiner Weise beleidigt zu sein schien. Hätte er sonst dem Barkeeper bedeutet, dass die Herrschaften an Tisch 5 noch zu trinken wünschten?
    »Tut mir leid, Steve, so war das nicht gemeint«, murmelte Cording, der aufpassen musste, dass er die Sache nicht durch eine weitere unbedachte Äußerung verschlimmerte. »Für wen ist das Parfüm?«, fragte er, froh, einen Ausweg gefunden zu haben. »Bist du mit einem Mädchen hier?«
    »Das ist für Maeva«, antwortete Steve und errötete.
    »Wow!«, sagte Cording und roch an dem Flakon. »Das Zeug duftet wie ein Moorsee im Sommer. Sensationell, wird ihr gefallen. Kühl und herb. Das Gegenteil von Hibiskus und Tiare. Wird ihr gefallen, da bin ich sicher.«
    Sie saßen noch drei Stunden beisammen, dann war ihnen klar, dass sie Maeva so nicht vor die Augen treten konnten. Steve hatte es gut, er logierte im »Grace« einige Blocks entfernt. Cording jedoch wohnte oben im dreizehnten Stock, er musste garantiert an Maeva vorbei. Sie verabschiedeten sich. Cording nahm den Fahrstuhl, schloss die Suite auf, klopfte Omai auf die Schulter, der Maeva gegenüber auf der Couch saß, übergab der Dame das Parfüm (mit den besten Grüßen von Steve), torkelte anschließend nach nebenan, fiel aufs Bett und schlief ein.
    Omai schloss die Tür zum Schlafzimmer, gab seiner Schwester, die versonnen an Steves Flakon roch, einen Kuss auf die Wange und setzte sich wieder.
    »Wir sind alle ein wenig nervös«, sagte er, »er offenbar ganz besonders …«
    Maeva antwortete nicht. Durch die Ritzen der Schlafzimmertür drang ein rasselnder Laut, als würde eine Ankerkette zu Wasser gelassen.
    »Ich würde vorschlagen, dass wir deine Rede noch einmal durchgehen«, schlug Omai vor, »Punkt für Punkt. Was meinst du?«
    Maeva sprühte sich eine Probe von dem Parfüm auf den Handrücken, schnupperte daran und schüttelte den Kopf. Omai war nicht sicher, ob die Geste dem Duft galt oder als Antwort auf seine Frage zu verstehen war.
    »Die Rede ist so schrecklich männlich«, bemerkte Maeva, »vielleicht ist es besser, wenn du oder Cording sie verliest, ihr habt sie doch zu großen Teilen geschrieben …«
    Omai erschrak. Er kannte seine Schwester. Ihre Äußerung bedeutete nichts anderes, als dass sie das in wochenlanger Kleinarbeit gemeinsam erarbeitete Manuskript mit einem Schlag infrage stellte. Und das wenige Stunden vor seiner Verkündung! Verkündung, genau. Hier ging es um ein programmatisches Statement zur Zeitenwende, wie es der Weltöffentlichkeit radikaler noch nicht zugemutet worden war.
    »Was meinst du mit männlich?«, fragte er, wobei er Mühe hatte, seine Stimme zu kontrollieren.
    »Die Rede ist so … so politisch.« Sie wedelte mit der Hand, als wollte sie sich des herben Dufts entledigen, der den Raum nun nach und nach füllte.
    »Ich bitte dich, Maeva!«, entgegnete Omai gereizt. »Politisch ist alles. Du solltest schon ein wenig konkreter werden!«
    »Sie ist kalt, Omai. Perfekt formuliert, logisch in der Ausrichtung, aber kalt. Sie wird die Menschen nicht erreichen. Sie werden es nur für eine weitere Absichtserklärung halten, eine von der Sorte, mit der ihre Regierungen und die internationalen Institutionen seit Jahrzehnten auf das weltumspannende Elend reagieren. Für einen solchen Vortrag gebe ich mich nicht her.«
    »Na großartig!« Omai sprang auf und tigerte

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