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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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Steve auf so ungewöhnliche Weise darbrachte, akzeptierte sie. Etwas Ähnliches hätte sie sich von Cording gewünscht, aber außer einigen dummen Ausreden hatte ihr Schlimmer Finger nichts zu bieten gehabt …
    Die starken Regenfälle der letzten Nacht kamen wie gerufen. Sie hatten nicht nur die Buschfeuer erstickt, die im Norden Sydneys außer Kontrolle geraten waren und deren beißende Rauchschwaden die Millionenmetropole einzunebeln drohten, sie hatten die gesamte Stadt abgeduscht, welche nun dem Anlass entsprechend glänzte. Am Morgen war Maeva von den Delegierten der URP zu deren Generalsekretärin gewählt worden. Einstimmig. Die Wahl hatte im Studio Theatre der Oper stattgefunden, dem kleinsten der fünf Säle, über die das Haus verfügte. Der große Auftritt stand heute Nachmittag in der Concert Hall bevor. Die 2679 Plätze waren seit Wochen ausverkauft. Zu dem feierlichen Spektakel hatten sich Besucher aus aller Welt angemeldet. Künstler, Wissenschaftler, Politiker, Unternehmer und natürlich die unvermeidlichen Vertreter der zahlreichen Umweltschutzorganisationen, von denen die Welt nur so wimmelte. Je schlimmer es um die Erde bestellt war, desto mehr gab es davon, dachte Cording, sie würden vermutlich bald das Einzige sein, was noch von gesundem Wachstum zeugte …
    Sechs Stunden waren für die Inauguration Maevas veranschlagt. Es gab eine Reihe prominenter Gastredner, wie beispielsweise die Pionierin der Tiefenökologie, Belinda Mitchell, deren Vortrag unter dem schönen Titel »Die Welt als Geliebte« stand. Unter anderem dabei: der Bewusstseinsforscher Paul Delaney aus Großbritannien, die Quantenphysikerin Rajani Bala aus Indien, der Heiler und Anthropologe Malidoma Taomé aus Burkina Faso sowie der deutsche Atomphysiker Manfred Mendel. Außerdem rechnete man mit zahllosen Grußbotschaften sympathisierender Regierungen. Höhepunkt der Veranstaltung sollte die Rede Maevas sein, die gegen neunzehn Uhr erwartet wurde.
    Cording blickte auf die Uhr. Noch eine Stunde bis dahin. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so nervös gewesen zu sein. Wie musste sich erst Maeva fühlen, die ja keinerlei Erfahrung darin besaß, vor großem internationalen Publikum zu sprechen? Er dachte an Omais Rede vor fünf Jahren vor der UN-Vollversammlung in Genf. Omai war in diesen Dingen auch nicht geübt, aber er hatte seinen Auftritt mit Bravour über die Bühne gebracht. Anschließend war er als Öko-Gandhi gefeiert worden. Ein schweres Erbe für Maeva, die sich wohl oder übel daran messen lassen musste. Er verließ die Grünanlage hinter der Oper und reihte sich in den Strom derer ein, die aus dem nahe gelegenen Carpark erwartungsfroh in Richtung der Eingänge schlenderten. Die glasierten weißen Keramikfliesen des 67 Meter hohen Daches schienen sich in dem Sonnenlicht zu entzünden, als wollten sie ein Fanal aussenden. Statt den Menschen in das Innere des Gebäudes zu folgen, zog es Cording vor, das Opernhaus ein weiteres Mal zu umrunden. Er hatte das heute schon so häufig getan, dass er den Weg auch mit geschlossenen Augen hätte gehen können. 183 Meter in der Länge, 118 in der Breite. Wieder und wieder, als wollte er mit seinen rastlosen Kreisen einen energetischen Schutzwall errichten. Er lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer über dem Wasser, ließ sich die frische Brise übers Gesicht streichen und schaute hinauf in die aufgeblähten Keramiksegel, die der Phantasie des Architekten Jørn Utzon entsprungen waren. Was für ein Geniestreich! Allerdings hatte Utzon gar nicht an Segel gedacht. Zwanzig Jahre nach der Eröffnung gestand der Däne verschämt, dass seiner Formgebung eigentlich die Segmente einer Orange zugrunde lagen. Aber die Segel waren nun einmal gesetzt im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit, da hatte die Orange keine Chance mehr. Auch Maeva war als Heilsbringerin gesetzt, da …
    »Was machst du noch hier draußen?«
    Es war Steve, der ihn angesprochen hatte. »Komm mit rein«, sagte er und deutete auf seine Armbanduhr.
    »Ich könnte jetzt ein kühles Bier vertragen«, antwortete Cording, ohne den Blick vom Dach zu nehmen.
    »Sicher«, sagte Steve, »ist genau der richtige Tag, um sich zu besaufen. Na, komm schon. Ist ne Superatmosphäre da drin.«
    »Geh vor«, sagte Cording, »ich brauch noch ein bisschen.«
    »Aber du bist doch dabei?«, fragte Steve besorgt.
    Cording nickte.
    Papeete, Tahiti: Immer mehr Menschen strömten auf den Platz Vaiete , um der Liveübertragung aus Sydney

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