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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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zuhörte. Im Augenblick kümmern sich Rajani und Suu Kyi um sie. Noch steht nicht fest, ob wir unsere Reise fortsetzen oder nach Tahiti zurückkehren werden.
    Steve hat EMERGENCY TV die letzten Wochen mit ausreichend Material versorgt, das im Internet millionenfach nachgefragt wird. »Maevas Reise« heißt das Format. Die Texte zu den Filmbeiträgen schreibt er selbst, und er macht es gut. Warum er uns das so lange vorenthalten hat, ist mir schleierhaft.
    Morgen, höre ich gerade, brechen wir nach Lhasa auf, wo wir die Tibetbahn nach China besteigen werden. Maeva ist noch kurz beim Hofastrologen vorstellig geworden, Sternenglück einsammeln …
24. April 2028
    Maeva hat entschieden: Wir fahren in die Region des Todes, in die chinesische Provinz Hubei, wo die Zahl der Opfer seit dem Bruch des Dreischluchtendamms nach Schätzungen der UNO die Vierzigmillionenmarke längst überschritten hat. Dabei ist nicht einmal sicher, ob wir das von Seuchen heimgesuchte Sperrgebiet überhaupt betreten dürfen. Steve hat immerhin dafür gesorgt, dass wir mithilfe des Internationalen Roten Kreuzes bis in die Provinzmetropole Chongqing reisen dürfen, von wo aus die Hilfsorganisationen operieren.
    Maeva ist seit der Nachricht aus Papeete wie verwandelt. Sie spricht kaum, und wenn, dann sehr einsilbig. Obwohl Rajani, Suu Kyi und auch ich ihr von der Reise dringend abgeraten haben, bleibt sie stur. Fast scheint es, als wollte sie ihre Enttäuschung und ihren Schmerz über die Behandlung durch Rauura (Omai nimmt sie inzwischen aus) zu einem viel größeren Leid in Relation setzen.
    Ich halte nichts von dieser Stippvisite. Aber es macht wenig Sinn, ihr den Chinabesuch ausreden zu wollen. Zumal sie in Steve einen willigen Komplizen gefunden hat. Die Beziehung der beiden erinnert mich neuerdings an die Allianz zweier trotzköpfiger Kinder …
    Cording prüfte den Sitz der Schläuche, er wollte sichergehen, dass ihm in der Tibetbahn nicht plötzlich die Luft wegblieb. Links und rechts der Strecke standen die nackten Berge wie eine Riege verschämter Chorknaben, denen man ihre Gewänder entrissen hatte. Vor der chinesischen Okkupation im Jahre 1950 waren sie noch dicht bewaldet gewesen, aber dann begann die Motorsäge zu regieren, und Tibets kostbare Wälder verließen die Region in Richtung der Holz- und Papierfabriken Zentralchinas. Inzwischen waren die Böden erodiert, Erdrutsche, Steinschläge und Überflutungen bildeten eine ständige Gefahr für die Menschen und Tiere in den Ebenen.
    Die Strecke der Tibetbahn war nicht gerade mit Bedacht gewählt. Sie führte durch ein Erdbebengebiet, und ihre Trasse war auf Permafrostboden gebaut, der sich im Zuge der Klimakatastrophe gerade in einen puddingähnlichen Untergrund zu verwandeln drohte. Da halfen auch die zehntausend Kühlstäbe entlang der Gleise auf Dauer nichts, auf die sich die Ingenieure so viel einbildeten. So viel Ammoniak konnte man im Boden gar nicht verdunsten lassen, dass das Erdreich stabil blieb.
    In einer lang gezogenen Kurve erblickte Cording die drei Dieselloks, die den Zug mit elftausend PS über den fünftausendzweiundsiebzig Meter hohen Tanggulapass zogen, den höchsten Pass der Welt. Die Loks stammten von General Electric aus den USA, während die Spezialwaggons von einem internationalen Konsortium entworfen worden waren. Ihre Abteile waren gegen UV-Strahlung geschützt, von jedem Sitz aus konnte man sich an die automatische Sauerstoffzufuhr anschließen, die ab dreitausend Meter Höhe freigegeben wurde. Es gab sogar Luxussuiten an Bord, zehn Meter lang, jede ausgestattet mit Bar und Bad. Dazu ein Service, wie man ihn allenfalls aus Grandhotels gewohnt war.
    Für Maeva wäre es ein Leichtes gewesen, sich und ihrer Entourage zwei solcher Suiten zu sichern, kostenlos, versteht sich. Aber sie wollte unbedingt inkognito reisen. Also lümmelten Steve und Cording in den blauen Sesseln dieses mit dicken Teppichen ausgelegten Großraumwagens herum, der nicht einmal zur Hälfte belegt war, und starrten wie gebannt nach draußen, wo die göttlichen Kulissenschieber eine Landschaft nach der anderen aus dem tibetischen Fundus zauberten. Die Siebentausender schienen zum Greifen nahe, ein Teppich aus Flechten und Moosen zog sich bis zu den Bergketten. Gelegentlich züngelte eine Gletscherzunge dem Bahndamm entgegen. Yakherden und Hütten schmolzen zu winzigen Punkten, die von dem dramatischen Schattenspiel, das die über den Himmel gehetzten Wolken auf dem weiten Hochplateau

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