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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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tat.
    McEwen zollte ihrer Fähigkeit, sich bei der aufgeregten Menge Gehör zu verschaffen, insgeheim Respekt. Sie sprach auf Englisch zu den Menschen, was natürlich zur Folge hatte, dass sie nach jedem fünften Satz innehalten musste, um der Übersetzerin Zeit zu geben. Es waren die üblichen spirituellen Plattitüden. Aber die Leute gierten danach, als fiele das pure Manna vom Himmel. Sie benimmt sich wie eine Weissagerin, dachte McEwen, die in der Vergangenheit nichts Gutes zu erkennen vermag, aber mit der nächsten aufgedeckten Karte das pure Glück verspricht.
    Mark Dowie registrierte sehr wohl, dass sein Gegenüber nicht unbeeindruckt blieb. Besonders an der Stelle, als Maeva den Menschen die schwarze Perlenkette zeigte, die sie um den Hals trug. »Jede dieser Perlen symbolisiert ein Mitglied der URP. Und mit jeder Region, die sich uns neu anschließt, wird diese Kette um eine Perle reicher. Ich bin eine Perlenfischerin! Und meine neueste Perle soll Dithmarschen heißen! Werdet Mitglied der URP, tretet ein in den Bund der freien Regionen dieser Erde, hängt euch mir sozusagen um den Hals …!«
    McEwen schüttelte den Kopf. Welche Politikerin, welcher Politiker hätte es wagen können, einen solchen Satz zu gebrauchen, ohne dafür ausgelacht zu werden? Maeva durfte das. »Die Mächtigen dieser Welt behaupten, dass es keinen Weg zurück gibt«, fuhr sie fort, »sie behaupten, dass es immer vorwärts zu gehen habe. Das ist natürlich Blödsinn. Die Gattung Mensch existiert seit fünfhunderttausend Jahren. Unsere wahren Bedürfnisse sind bis heute gleich geblieben. Sie sind durch den sogenannten Fortschritt nur verschüttet worden. Es ist an der Zeit, dass wir uns erinnern. Und erinnern heißt, dass wir die Nabelschnur zurückverfolgen müssen, die uns mit dem Leben verbindet. Die Natur verlangt von uns nicht, dass wir über sie bestimmen, sie verlangt, dass wir mit ihr kooperieren. Jeder an seinem Platz …«
    McEwen winkte unwirsch ab.
    »Schau hin, Bob«, sagte Dowie, »jetzt wird es interessant.«
    Maeva stieg von der Bühne und mischte sich unter ihr Publikum. Trotz der Enge machten die Menschen ihr respektvoll Platz.
    »Die Nummer bringt sie ohne Leibwächter! Oder siehst du einen? Welcher unserer Politiker hätte heute noch den Mut dazu? Über ihre Botschaft will ich mich gar nicht mit dir streiten, aber klar ist doch, dass es diese Frau versteht, in den Menschen ein elementares Bedürfnis nach Veränderung zu wecken. Achte auf das Finale …«
    McEwen verschlug es die Sprache, als er Maeva, die inzwischen auf ihre Showbühne zurückgekehrt war, von Edwin L. Drake reden hörte, dessen Porträt noch vor gar nicht so langer Zeit die Wand dieses Büros geschmückt hatte. Drake, der im Jahre 1859 im Bundesstaat Pennsylvania die erste Ölbohrung der Welt vorgenommen hatte, wurde von der Tahitianerin nun kurzerhand vom Sockel gestoßen. Nicht er habe die erste Bohrung in Szene gesetzt, behauptete sie, sondern ein norddeutscher Bauer namens Reimer Peters, der in der Nähe von Meldorf wohnte, wo sie jetzt sprach. Der Mann wollte im Frühjahr 1856 einen Brunnen graben. Er fand an der Stelle jedoch nur stinkenden Sand vor. Durch Zufall erfuhr ein Geologe davon. Und der stellte fest, dass es Steinöl war, das den Sand stinken ließ. Also ließ sich Bauer Peters vom dänischen König das Privileg übertragen, bituminöse Sande auszubeuten, aus denen er Solaröl destillierte, also Petroleum, das in Deutschland bereits zum Verkaufsschlager geworden war, bevor Drake in Pennsylvania seinen Bohrer ansetzte.
    »Das Erdölzeitalter, das unsere Gesellschaft so nachhaltig geprägt, entmenschlicht und abhängig gemacht hat, nahm hier, direkt vor eurer Haustür seinen Anfang!«, rief Maeva. »Also lasst es uns auch an dieser Stelle beenden! Hiermit erkläre ich das Ölzeitalter für beendet! Diese Botschaft wird von Dithmarschen aus in die Welt gehen. Ihr wart wunderbar. Ich danke euch! Mauruuru roa!«
    McEwen schüttelte den Kopf. »Die ist ja total übergeschnappt …!«
    »Mag sein, vielleicht ist sie das«, antwortete Dowie. »Aber ihre Anhängerschaft im Internet nimmt allmählich beängstigende Dimensionen an. Diese Predigerin ist gefährlich, Bob. Äußerst gefährlich. Gewaltlosigkeit ist eine starke Waffe in unserer hochgerüsteten Welt heutzutage. Okay. Vergessen wir das … Ich werde mit Präsident Hurst reden, bestell das deinem Nowikov. Dreißig Prozent sind fair, wir kommen schon zusammen.«
    Cording fragte

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