Das Südsee-Virus
Deutschlands.
Shark ging es von Tag zu Tag besser, er hatte sogar begonnen, mit Steve an dem neuen Internetauftritt zu basteln, mit dem Maevas Reise im Netz dokumentiert werden sollte. Cording war nicht sonderlich überrascht, dass das Format inzwischen erstaunliche Ähnlichkeiten mit der GO!-Show aufwies. Es ging jetzt weit über die pure Dokumentation hinaus, bot genügend Platz für Hintergrundberichte und interaktive Diskussionsforen. Maeva gefiel es. Die Zusammenarbeit in Mikes Bibliothek war derart intensiv, dass sie gar nicht auf die Idee kam, die versprochene Besichtigungstour durch Hamburg anzumahnen, was Cording nur recht sein konnte. Den Abend, an dem Steve das neue Portal für die Öffentlichkeit öffnete, begingen sie mit Mike in seinem geheizten Wintergarten bei einer gepflegten Flasche Wein. In zwei Tagen, so war zu lesen, würde Maeva auf dem Domplatz von Meldorf sprechen.
Die Norddeutsche Tiefebene warnicht unbedingt das, was man einer sonnenverwöhnten Südseeprinzessin gerne ans Herz legen mochte, schon gar nicht im Herbst, dessen Tage sich wie Ertrinkende benehmen: Kaum dass sie sich ans Licht erheben, versagen ihre Kräfte. Tropfend und klamm hängen sie sich der platten Landschaft an den Hals, der gar nichts anderes übrig bleibt, als sich den erzwungenen Umarmungen auf devote Weise zu ergeben.
Cording blickte auf die matschige, mit Stacheldrahtzäunen parzellierte Ödnis. Auf den durchhängenden Stromleitungen, die zwischen den über die Wiesen stampfenden Viadukte gespannt waren, hockten Kolonien von Krähen, als warteten sie auf das Ende der Welt. Das Surren der Reifen auf der regennassen Straße beruhigte ihn. Maeva saß stumm neben ihm und blickte hinunter auf den Nord-Ostsee-Kanal, den sie in großer Höhe überquerten.
»Was ist denn hier los?«, hörte Cording Steve sagen, nachdem sie die Autobahn verlassen hatten. Auf der Landstraße hinter Krumstedt ging es nur noch schleppend voran. In Nindorf, wenige Kilometer vor Meldorf, steckten sie endgültig im Stau. Am Ortsausgang winkten Soldaten der Bundeswehr die nachrückenden Fahrzeuge auf eine Wiese, die man kurzerhand in einen gigantischen Parkplatz verwandelt hatte.
Cording stieg aus. Maeva, Steve und Shark beobachteten, wie er mit einem Offizier sprach, der bei den Shuttlebussen stand, die sich in kurzen Abständen Richtung Meldorf in Bewegung setzten. Nach wenigen Minuten kehrte er zurück und ließ sich grinsend in seinen Sitz fallen. »Ratet mal, wem dieser Volksauflauf gilt?«, fragte er grinsend.
»Im Ernst?!«, rief Steve und stieß mit der flachen Hand aufs Lenkrad. »Die sind alle Maevas wegen hier?!«
»Du sagst es. Man rechnet mit dreißigtausend Besuchern. Nicht schlecht für ein Städtchen mit siebentausend Einwohnern, oder?«
Eine Motorradstreife nahm sie unter Blaulichteinsatz ins Schlepptau. Als sie sich dem Ortskern näherten, war kaum noch ein Durchkommen. Am Landesmuseum bogen sie links auf den Parkplatz des Hotels »Zur Linde«, wo sie von den Eigentümern bereits erwartet wurden. Während die Massen auf den Domplatz drängten, verspeiste Maevas Viererbande im Hinterzimmer des Restaurants eine gepflegte Dithmarscher Scholle mit Speck.
Eine Stunde noch bis zum großen Auftritt. Die Bühne war gerichtet, rund um den Domplatz waren die Videoscreens installiert. Steve schulterte die Kamera und mischte sich unter die Leute. In den Seitenstraßen traf er neben den Ü-Wagen der ARD auch auf Übertragungswagen dänischer, niederländischer und englischer Fernsehanstalten.
Robert McEwen inspizierte sein ehemaliges Büro wie einer, der mal kurz weg gewesen war und nun feststellen musste, dass gezielt mit allem aufgeräumt worden war, was auch nur entfernt an ihn erinnerte. Statt der wunderschönen Ölgemälde, die allesamt mit der Firmengeschichte von Global Oil zu tun hatten, hingen abstrakte Bilder an den Wänden, die dem Betrachter die Augen verdrehten und ihm ins Gesicht zu springen schienen. Sein Eichenholzschreibtisch hatte einem gläsernen Designerpult Platz machen müssen, und die schwere Bücherwand war einem komplizierten Gestell aus rostfreiem Stahl gewichen. Nun ja, was regte er sich auf, ihm war doch immer klar gewesen, dass sein Nachfolger und ehemaliger Stellvertreter ein Geschmacksbanause war. Außerdem hatte ihn Präsident Nowikov nicht nach Dallas geschickt, um mit Mark Dowie über die Inneneinrichtung einer amerikanischen Machtzentrale zu streiten. Er war gesandt worden, um einen Vertrag
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