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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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sagte Maeva. Sie hatte sich schon gefragt, welcher Art die Komplimente wohl sein würden, mit denen man sich bei ihr einzuschmeicheln gedachte. Dieses hier bekam auf der Skala von eins bis zehn eine schlappe Vier. Dr. Kiran Desai schien das ähnlich zu empfinden, denn bevor sein amerikanischer Kollege weiterreden konnte, ergriff er selbst das Wort.
    »Neben Ihrer beeindruckenden Schönheit«, sagte er und nahm Maeva mit seinen schwarzen Glutaugen aufs Korn, »ist es vor allem Ihre politische Leistung, die uns Bewunderung und Respekt abnötigt.« Er verbeugte sich so tief, dass sein Turban das aufgehäufte Gebäck in der Schale berührte. Abzug!, dachte Maeva, des unterwürfigen Kotaus hätte es nicht bedurft, mehr als eine Sechs war für die Darbietung nicht drin. Was war mit dem Deutschen, wie würde er sich vorstellen? Dass er schwieg, dass dieses Schweigen ihr gar verriet, wie peinlich ihm die Situation geworden war, sprach durchaus für ihn.
    Brandstätter klappte seinen Diplomatenkoffer auf und entnahm ihm einen Stapel Papiere, die allesamt mit dem Aufdruck »Secret« versehen waren. »Ich denke, wir sollten so schnell wie möglich zur Sache kommen, denn viel Zeit bleibt uns nicht, um ein mögliches Massaker zu verhindern. In der nächsten Woche findet in Kapstadt eine Massendemonstration statt, zu der über eine Million Menschen erwartet werden.« Er schob Maeva die Unterlagen über den Tisch. »Diese Geheimpapiere geben Aufschluss über den größten Skandal, den sich die Atomwirtschaft seit Fukushima bisher geleistet hat. Die Demonstration richtet sich gegen den südafrikanischen Energiemonopolisten Eskom, der, wie die Umweltschutzorganisation Earthlife Africa vor einigen Wochen öffentlich gemacht hat, gleich an allen drei atomaren Baustellen versagt hat, die das Unternehmen zu verantworten hat. Das betrifft die Uranminen bei Durban, das Atomkraftwerk Koeberg bei Kapstadt sowie die vor drei Jahren wieder in Betrieb gegangene Produktionsanlage Pelindaba, in der die Brennelemente für die chinesischen Kugelhaufenreaktoren hergestellt werden.
    Bevor Sie sich mit dem Material vertraut machen, will ich versuchen, Ihnen in aller Kürze eine Vorstellung von den Problemen zu geben, denen sich die Bevölkerung von Südafrika gegenübersieht. Fangen wir mit den Uranminen an. Die Gewinnung von Uran ist nicht nur äußerst gefährlich, sie ist auch extrem verschwenderisch. Das Erz enthält nur 0,1 bis 0,2 Prozent Uranmetall. 99,8 Prozent der Masse und fünfundachtzig Prozent der Radioaktivität bleiben als Abfall übrig. Diese Rückstände emittieren Radongas, und zwar über Tausende von Jahren hinweg. Die gängige Entsorgungspraxis besteht darin, einen Damm zu bauen und die Rückstände entweder mit Lehm oder mit Wasser abzudecken, um das Entweichen des Gases zu minimieren, denn ganz einfangen kann man es nicht. Heftige Regenfälle haben einen solchen Damm im letzten Jahr brechen lassen, was zur Folge hatte, dass über eine Milliarde Liter radioaktiv verseuchter Flüssigkeit ins landwirtschaftlich genutzte Erdreich und in die Flüsse gelangt sind, was von Eskom bis heute bestritten wird. Dabei weisen inzwischen siebzig Prozent der Häuser in der Durbanregion einen Grad an Radonstrahlung auf, der weit über dem Sicherheitslimit liegt. Die Krankenhäuser an der Ostküste können die Menschen, die an Lungen- und Hautkrebs erkranken, kaum noch aufnehmen. Ihre Kapazitäten sind schlicht erschöpft.«
    Maeva, die den Ausführungen Brandstätters konzentriert folgte, war nicht verborgen geblieben, wie nervös Anthony Burgess auf die Worte seines deutschen Kollegen reagierte.
    »Was nun das AKW Koeberg betrifft«, fuhr Brandstätter fort, »so sickerte ja seit Jahren durch, wie es um die Sicherheitsdefizite des Schrottmeilers bestellt ist. Immer wieder berichteten Techniker nach Montagearbeiten von erheblichen Mängeln. Aber erst vor Kurzem fand ein Arbeiter den Mut, öffentlich über die Hintergründe zu sprechen, die in den vergangenen Jahren eine Panne nach der anderen ausgelöst hatten. Kostspielige Umbauten und Reparaturarbeiten wurden von Eskom systematisch verhindert. Der Mann berichtete, dass die Wartungscrew sich in mehreren Fällen geweigert habe, Arbeiten auszuführen, da sie sich unter den geltenden Umständen gezwungen sah, Pfusch abzuliefern. Die Leute meldeten sich lieber krank. Messungen wurden manipuliert oder der Aufsichtsbehörde erst gar nicht mitgeteilt. Die Atmosphäre unter den mit Planung, Montage und

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