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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk C. Fleck
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Inbetriebsetzung Beschäftigten, so die Zeugenaussage, sei durch Streit, Intrigen und Lügen vergiftet gewesen. Auch dies wurde und wird von Eskom vehement bestritten. Ebenso wie die Tatsache, dass die Stadt Kapstadt vor einigen Wochen nur äußerst knapp einem GAU entkommen ist, wie ein anonymer Koeberg-Mitarbeiter der Zeitung ›Saturday Star‹ anvertraute. In einem Generator wurde bei Wartungsarbeiten ein acht Zentimeter langer Bolzen gefunden. Das Werk stand kurz vor einer Kernschmelze. Der Vorfall war auf Sabotage zurückzuführen, wie selbst Südafrikas Energieminister zugeben musste. Mit den lokalen Behörden abgestimmte Notfallpläne zur Evakuierung der Bevölkerung aber bestehen bis heute nicht.
    Inzwischen haben die Menschen jegliches Vertrauen in Eskom verloren. Sie glauben den gebetsmühlenartigen Dementis des Unternehmens nicht mehr. Was die Situation im Augenblick aber so brisant macht, ist die Tatsache, dass nach der Abschaltung des betroffenen Reaktors der zweite noch verbliebene Reaktor bereits sehr viel länger läuft, als es das Wartungsintervall vorsieht. Die Katastrophe ist praktisch programmiert, die Menschen wissen das. Und als wenn das noch nicht genug wäre, hatte die ebenfalls vor den Toren Kapstadts gelegene Produktionsanlage Pelindaba vor einem Monat ein Leck zu vermelden. Über hundert Mitarbeiter wurden radioaktiv verseucht, und zwar so schwer, dass sie den Unfall nicht überleben werden.
    Die Frage, die wir uns angesichts dieser explosiven Lage zu stellen haben, lautet: Wie können wir Einfluss nehmen auf die Massendemo am Kap? Die Regierung von Südafrika, das wissen wir aus verlässlichen Quellen, überlegt, das Land für die Dauer der Demonstration unter Kriegsrecht zu stellen. Dann stünden eine Million aufgeheizter Demonstranten einer schwer bewaffneten Armee gegenüber. Ich wage mir gar nicht auszumalen, wie das enden könnte.«
    Maeva begriff das Dilemma sehr wohl. Sie schaute die Herren der Reihe nach an. Anthony Burgess vermochte ihrem Blick nicht standzuhalten, als plage ihn ein schlechtes Gewissen. »Eines verstehe ich nicht«, sagte sie, um ein wenig Zeit zu gewinnen, denn allmählich begann sie zu ahnen, was man ihr abverlangte, »wie war es möglich, dass die Internationale Atomenergie-Organisation von den Missständen, die Sie eben geschildert haben, keine Kenntnis hatte?«
    »Hatte sie«, antwortete Burgess und räusperte sich verlegen. »Grundsätzlich war unseren Kontrolleuren der marode Zustand von Koeberg bekannt. Das gilt auch für den Unfall in den Uranminen, nicht jedoch für den Zwischenfall in Pelindaba.«
    »Dann verstehe ich nicht, warum Sie nicht rechtzeitig Konsequenzen gezogen haben«, erwiderte Maeva.
    Burgess sah seine Kollegen an, dann gab er sich einen Ruck: »Korruption«, sagte er mit heiserer Stimme. Es klang, als würde er das Wort hervorwürgen. »Bestechung«, fügte er, jetzt, da es heraus war, fast erleichtert an. »Die Vizedirektoren unserer drei zuständigen Hauptabteilungen Kernenergie, Nukleare Sicherheit und Kernmaterialüberwachung waren allesamt von Eskom bestochen worden. Mit Millionensummen, und das über Jahre. Ob mein Vorgänger in dieses Schmierentheater eingebunden war, ist nicht bewiesen. Aber Sie können sich denken, dass ich kein leichtes Erbe angetreten habe. Umso wichtiger ist es nun, das ramponierte Image der IAEA wieder aufzupolieren.«
    »Und dazu brauchen Sie mich …«
    »Nein, nein, das machen wir schon selbst. Aber wie Brandstätter sagte: Es geht jetzt in erster Linie darum, ein Massaker zu verhindern. Wenn Sie sich beispielsweise bereitfänden, an der Spitze der Demo mitzumarschieren, um anschließend auf der geplanten Kundgebung zu den Menschen zu sprechen, ich glaube, dass sich das Militär dann dreimal überlegen würde, ob es die Versammlung mit Gewalt auseinandertreibt. Allerdings sollte es Ihnen schon gelingen, die Menschen von der Besetzung der Werksgelände abzuhalten.«
    Maeva schüttelte ungläubig den Kopf. »Lassen Sie mich kurz rekapitulieren: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, verlangen Sie von mir nichts anderes, als dass ich eine aufgebrachte Menge, deren Empörung nur allzu verständlich ist, mit ein paar warmen Worten daran hindern soll, ihrem Zorn den berechtigten Ausdruck zu verleihen. Und wir reden von einer Million Menschen, richtig?«
    »Über den Daumen gepeilt, ja«, ließ sich Dr. Kiran Desai vernehmen, der froh war, auch einmal an die Reihe zu kommen.
    Oh, bitte, dachte Maeva, komm mir

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