Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
werden«, betonte Fidelma und fügte dann nicht ohne Stolz hinzu: »Von Éber Finn, dem Sohn von Milidh und Gründer dieses südlichen Königreichs, an gerechnet, gehört Colgú zur neunundfünfzigsten Generation. Es waren die acht Söhne von Milidh, dem Krieger, der mit Geburtsnamen Golamh hieß, die mit den Gälen an den Ufern dieser Insel landeten und sich hier niederließen. Das geschah vor langen Zeiten, als sie noch mit den alten Göttern und Dämonen kämpfen mussten …« Sie hielt inne, und Eadulf konnte sich gut vorstellen, dass sie vor sich hin lächelte. »Na ja, jedenfalls heißt es in den Legenden so.« Eine kurze Weile verging, und sie meinte: »Nicht mehr lange, und der Morgen dämmert. An Schlafen ist nicht zu denken. Zünde eine Kerze an, Eadulf, und hol uns Wein.«
Eadulf war erleichtert, dass er Fidelma hatte ablenken können. Dass sie keinen Schlaf fand, war nur allzu verständlich, aber er selbst war müde und hätte sich gern noch ein wenig hingelegt. Doch widerspruchslos nahm er eine Kerze,und da er wusste, dass in den Gängen draußen immer eine Lampe brannte, öffnete er die Tür, um dort seine Kerze anzuzünden. Er war gerade dabei, als er eine leise Bewegung hörte.
Es war Enda, einer der jungen Krieger der Leibgarde des Königs, der offensichtlich Wache stand. Mit besorgtem Gesichtsausdruck kam er auf Eadulf zu.
»Stimmt etwas nicht, Freund Eadulf?«, fragte er leise.
Eadulf schüttelte den Kopf. »Alles in Ordnung. Wir konnten nur nicht schlafen.«
Jetzt tauchte Fidelma, in ein wollenes Umschlagtuch gehüllt, in der Tür auf. »Worum geht es?«, fragte sie beunruhigt. »Gibt es etwas Neues von Colgú?«
»Nein, Lady. Caol hat mir befohlen, hier Wache zu halten. Verzeih, wenn ich euch gestört habe.«
»Davon kann nicht die Rede sein«, beruhigte ihn Eadulf. »Bezieh nur wieder deinen Posten.« Er nickte dem Krieger zu, ging ins Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
»Vermutlich treibt Caol die Sorge um, dass der Attentäter nicht allein gewesen ist«, überlegte Fidelma. Sie ließ sich auf das Bett sinken, während Eadulf einen günstigen Fleck zum Aufstellen der Kerze suchte.
»Er lässt Vorsicht walten«, stimmte ihr Eadulf zu, goss zwei Becher Wein ein und brachte sie zu ihr ans Bett. »Solange man nichts Genaueres weiß, sollte man immer auf der Hut sein.«
»Und mit den Nachforschungen können wir erst bei Tageslicht beginnen«, stellte Fidelma bedauernd fest. »Das siehst du doch auch so, oder?«
»Wohl wahr. Licht in das Dunkel kann nur die Erkenntnis bringen, wer Liamuin ist oder war, und warum der Attentäter sich mit dem Ausruf ›Rache für Liamuin!‹ auf Colgú warf, umihm den Todesstoß zu versetzen. Wir haben gerade erst von euren Vorfahren gesprochen. Gibt es jemand unter ihnen, der so hieß?«
Fidelma zog die Knie bis zum Kinn und umschloss mit den Armen die angezogenen Beine.
»Nicht, dass ich wüsste.« Dann hob sie plötzlich den Kopf. »Merkwürdig. Hieß nicht eine der fünf Schwestern des heiligen Patrick Liamuin? War sie nicht die Mutter von Sechnall? Sechnall, der Dichter, der das berühmte Lied über Patrick geschrieben hat?«
» ›Audite omnes amantes Deum …‹ «, fing Eadulf an zu singen, dem sogleich der Liedanfang einfiel. »› … Sancta merita viri in Christo beati Patrici episcopi …‹ «
»Vernehmt, all ihr Gottesfürchtigen, die begnadeten Tugenden des Bischofs Patrick, eines geheiligten Mannes in Christo …«
Sein Gesang verebbte, denn ihm war ein Gedanke gekommen. »Könnte das Attentat einen religiösen Hintergrund haben? Wird nicht übermorgen der Festtag des heiligen Sechnall begangen?«
Fidelma überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. »Den begeht man traditionell im Norden und im mittleren Königreich Midhe. Wieso sollte Colgú wegen der Mutter des heiligen Sechnall von Midhe Streit gehabt haben?«
»Zwischen den Abteien von Imleach und Ard Macha gibt es doch Streitigkeiten genug über den Anspruch von Macha, dass ihr Abt das Oberhaupt der Bischöfe der fünf Königreiche sein sollte«, meinte Eadulf.
Fidelma zuckte mit den Achseln. »Darum streiten sich nur die hohen Geistlichen. Aber außer der Mutter von Sachnell muss es noch andere Frauen mit dem Namen Liamuin geben. Es ist ein seltener Name, wiederum nicht ganz ungewöhnlich.Nur will mir sonst niemand einfallen, der auch so hieß. Doch festlegen will ich mich nicht.«
»Lass uns ganz praktisch an die Sache herangehen«, sagte Eadulf. »Der Fluch galt
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