Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Attentäters bringen.«
Erregt sah Fidelma den jungen Krieger an.
»Ist Della wohlauf?«, war ihre erste Frage. Sie war mit Gormáns Mutter gut Freund geworden. Della war ursprünglich eine von der Gesellschaft Verstoßene gewesen, eine bé-táide , Prostituierte, und Fidelma hatte sie nach einer Vergewaltigung erfolgreich verteidigt. Sie hatte mit ihrer Verteidigung den Beweis erbracht, dass das Gesetz selbst Prostituierte schützte,wenn es gegen ihren Willen zu einem Geschlechtsakt gekommen war. Della hatte danach das Leben als Prostituierte aufgegeben, aber Fidelma hatte sie ein zweites Mal verteidigen müssen, als sie unter Mordverdacht stand. Damals hatte Della ihr offenbart, dass sie die Mutter des jungen Kriegers Gormán war.
»Meiner Mutter geht es gut«, versicherte ihr Gormán. »Aber ihr solltet am besten beide mit mir kommen. Es sieht so aus, als hätte der Attentäter vergangene Nacht sein Pferd unten im Ort gelassen.«
Fidelma zögerte und vergewisserte sich mit einem Blick bei Eadulf. Die konkrete Frage zu stellen war nicht nötig.
» Primum prima – manche Dinge haben Vorrang«, meinte der nur achselzuckend, wenn auch nicht gerade begeistert. »Wir sind ja nicht lange fort und können auch nachher mit Alchú ausreiten. Erst aber müssen wir hören, was Della zu berichten hat.«
Dellas Haus lag am Westrand des Orts, der sich am Fuße des Felsens von Cashel erstreckte. Auf dessen Höhe thronte die Burg der Könige von Muman mit Blick auf die Ebene ringsum. Das kleine Haus mit angebautem Stall stand etwas abseits, zu dem Anwesen gehörten auch ein Schuppen und die Koppel dahinter. Die grenzte an größere Felder, die bis zum Rand eines Waldgebiets reichten. Als sich die Gruppe dem Haus näherte, kam unter wütendem Gebell ein großer Hund auf sie zugerannt. Erst als Gormán ihn anrief, gab er Ruhe und blieb schwanzwedelnd stehen. Von der Rasse her war das kräftige Tier ein leith-choin , ein Mischling, eine Kreuzung zwischen einem Schäferhund und vermutlich einem Terrier.
Sein Bellen hatte Della an die Tür gelockt. Sie war klein von Wuchs und vielleicht vierzig Jahre alt, aber trotz ihrer fraulichen Reife hatte sie sich ein jugendliches Aussehen undeine golden leuchtende Haarpracht bewahrt. Das enganliegende Kleid brachte ihre immer noch gute Figur vorteilhaft zur Geltung.
Sie begrüßte sie mit der besorgten Frage: »Was gibt es Neues vom König?«
»Er lebt, ist aber in einem erbärmlichen Zustand. Wir hoffen, er übersteht die nächsten kritischen Tage«, erwiderte Fidelma. »Und wie geht es dir selbst, Della?«
»Mit mir ist so weit alles in Ordnung, nur die rätselhaften Umstände der vergangenen Nacht beunruhigen mich. Hat mein Sohn dir davon berichtet?«
»Wir wollten es lieber aus deinem Munde hören«, entgegnete Fidelma ernst.
»So viel gibt es da gar nicht zu erzählen, aber besser, ich zeig es dir gleich.«
Sie winkte ihnen, ihr zu folgen, ging um das Gebäude herum nach hinten und wies auf die Koppel. Zwei Pferde standen auf der Weide. Das eine erkannte Fidelma sofort als Dellas Ackergaul, sie hatte es oft genug vor einen Karren gespannt gesehen. So ein fén war ein Gefährt mit massiven Rädern. Trotz der Stellung ihres Sohnes in der Leibgarde des Königs waren Dellas Lebensumstände bescheiden, Räder mit Speichen hätte sie sich nicht leisten können.
Das zweite Pferd weckte Fidelmas Aufmerksamkeit. Es war größer und stämmiger als das andere, ein durchtrainiertes Jagdpferd, geeignet für lange Ritte mit einem Krieger, grau mit weißen Sprunggelenken oberhalb der Fesseln.
»Das dort ist wohl kaum dein Pferd, oder?«, fragte Fidelma schmunzelnd.
Della verzog das Gesicht. »Schön wär’s. Das Tier brächte einen guten Preis«, und mit einem Blick auf Gormán: »Auf einem wie dem tät auch mein Sohn gern reiten.«
Gormán versuchte, zur Sache zu kommen. »Meine Mutter hat es erst heute früh entdeckt. Es stand einfach so da auf der Koppel, und angesichts …«
Fidelma war schon am Gatter zur Koppel, schwang sich mit erstaunlicher Wendigkeit darüber und ging hinüber zu dem Pferd. Es stand friedlich da, legte allerdings die Ohren zurück und blähte die Nüstern, als sie sich ihm näherte. Eadulf war ihr bis zum Gatter gefolgt und beobachtete sie besorgt. Er selbst kannte sich nicht gut mit Pferden aus. Gormán bemerkte seine Unruhe und redete ihm aufmunternd zu: »Kein Grund zur Sorge, Freund Eadulf. Die Rasse ist von Natur aus friedlich und auch klug, und Lady
Weitere Kostenlose Bücher