Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
unauffällig.«
»Fidaig? Von den Luachra?« Fidelma holte tief Luft. »Das hier ist doch nicht sein Gebiet.«
»Jetzt über Grenzen zu debattieren ist sinnlos, Lady. Auf geistreichen Disput lassen sich seine Krieger nicht ein. Die lassen nur ihre Schwerter sprechen.«
»Aber warum sollen wir uns verstecken?«, fragte Gormán.
»Weil ihr seid, wer ihr seid«, erwiderte der Müller rundheraus. »Mit Fidaigs Leuten ist nicht zu spaßen, wenn die erst mal etwas wittern. Denen geht man besser aus dem Wege. Los, versteckt euch.«
»Wieso machst du das?«, wollte Fidelma wissen. »Du bist doch ein Uí Fidgente.«
»Ich möchte sehen, wie es um deine Auffassung von der Gerechtigkeit der Eóghanacht bestellt ist. Vor allen Dingen möchte ich Gerechtigkeit für Liamuin.«
»Ich habe geschworen, für Gerechtigkeit zu sorgen«, versicherte ihm Fidelma erneut.
»Dann klettert die Stufen hinauf und wartet, bis sie weg sind.«
Mit diesen Worten ging er und zog die Tür hinter sich zu. Sie zögerten nicht lange und stiegen die Stufen hinauf, die bis ganz nach oben unters Dach führten. Dort gab es zwei Fenster. Von einem sah man auf den Bach und den Mühlgraben; wurde der Zulauf geöffnet, setzte die Strömung das Wasserrad in Bewegung. Das andere Fenster gab den Blick auf das Mühlengelände mit den Trockenöfen und Ställen frei.
Eadulf verschaffte sich rasch einen Überblick. »Sollte man uns verraten, müssen sie erst mal die Treppe hochkommen. Das können sie aber nur einzeln, einer nach dem anderen. Insofern können wir uns recht gut verteidigen.«
Gormán grinste. »Das ist richtig, guter Freund. Aber wenn die uns wirklich kriegen wollen, werden die sich kaum die Mühe machen, hier hochzuklettern. Die würden geduldig unten warten, bis wir uns die Treppe hinunterbemühen.«
»Uns praktisch verhungern lassen?«
»Eher die Mühle anzünden und uns die Wahl lassen, entwederin den Flammen oder durch ihre Schwerter umzukommen.«
»Du bist ein wahrhaft fröhlicher Geselle, Gormán«, meinte Eadulf wenig begeistert.
Fidelma hieß sie ruhig sein und schlich vorsichtig zu dem Fenster, von dem aus sie den Platz vor der Mühle übersehen konnte.
»Duckt euch«, flüsterte sie. »Ein Dutzend Reiter nähern sich. Marban geht ihnen entgegen.«
Sie konnten nur Bruchstücke ihrer Unterhaltung vernehmen. Der Anführer der Gruppe stellte in scharfem Ton mehrere Fragen, die der Müller unterwürfig unter vielerlei Verbeugungen zu beantworten schien, indem er nach Westen wies. Zu ihrer Erleichterung dauerte die Unterredung nicht lange. Reiter und Pferde trabten davon. Wenige Augenblicke später hörten sie den Müller die Treppe heraufstapfen, und kurz darauf erschien sein Kopf in der Bodenöffnung.
»Ihr könnt herunterkommen. Sie sind fort.«
Fidelmas Gesicht hatte einen merkwürdigen Ausdruck angenommen. »Ich habe den jungen Krieger, der sie anführte, an seiner Stimme erkannt. Wer war das, Marban?«
»Das war einer von Fidaigs Söhnen. Gláed heißt er.«
»Gláed?« Fidelma verschlug es den Atem. »Ich hätte gedacht, er heißt Adamrae.«
Kapitel 14
Sie hatten Marbans Mühle verlassen und folgten jetzt dem schmalen Flussbett des Mháigh, der in den Bergen im Südwesten entsprang. Auf Fidelmas Anraten hatte Gormán seinen Goldenen Halsreif abgenommen, der ihn als Krieger der Leibwache des Königs von Muman kenntlich machte. Sie selbst hatte ebenfalls ihren Reif in der Satteltasche verstaut. Das war klug, denn nun befanden sie sich im Gebiet der Luachra, dem aufsässigsten Sippenverband im Stamm der Uí Fidgente. Das Gebiet war dicht bewaldet und von Flusstälern durchschnitten. Hin und wieder mussten sie Bäche und andere Rinnsale überqueren, die alle ihre Quellen in dem weitentfernten Bergzug hatten. Mitunter war es schwierig, unter den vielen verzweigten Nebenflüssen, die ineinanderflossen und am Ende den mächtigen Mháigh bildeten, den Hauptstrom auszumachen.
Die Kette niedriger Hügel im Süden stieg allmählich an. Gormán wies auf befestigte Gehöfte, die auf den Bergkuppen standen. »Einer von den raths dort oben muss der sein, den wir suchen.«
Fidelma blickte zu den Bergen vor ihnen hoch. »Schon möglich, aber es geht uns ja mehr um eine ausgebrannte Ruine.«
Sie lenkten ihre Pferde hügelaufwärts. Auf den sanften Hängen weideten verstreute Gruppen von schwarzen und braunen Bergschafen mit zottiger Wolle und gewundenen Hörnern. Die Tiere müssten für die Wintermonate in geschützte Lagen getrieben
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