Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
heraus in den Vorbau und zog die Tür hinter sich zu.
»Nein, das können wir nicht. Da drinnen ist kaum Platz für mich, und für Fremde schon gar nicht. Wenn du mit mir reden musst, dann setz dich da auf den Baumstamm, ich hocke mich auf die Stufe.«
Fidelma fügte sich mit einem Lächeln ins Unvermeidliche und ließ sich auf dem Baumstamm nieder. Eadulf blieb lieber stehen.
»Ich hätte gern von dir in allen Einzelheiten erfahren, wie das damals war bei dem Überfall auf Menmas Gehöft.«
»In allen Einzelheiten?« Sie lachte heiser auf, drehte den Kopf und hob das lange Haar im Nacken an. Eine große blasse Narbe wurde sichtbar. »Ist das nicht Einzelheit genug? Menma und seine ganze Familie wurden ermordet. Ich war die Einzige, die am Leben blieb. Verflucht seien die fremden Krieger von Cashel!«
Fidelma bedeutete Eadulf, sich zurückzuhalten. »Erzähl mir, was da vor sich gegangen ist«, bat sie die Frau. »Wer alles war an jenem Tag auf dem Hof?«
Suanach zuckte gleichgültig die Achseln. »Was nützt es, jetzt noch über sie zu reden. Sind doch alle tot.«
»Es könnte helfen, die Schuldigen zu bestrafen«, erwiderte Fidelma.
»Nach all den Jahren? Daran glaube ich nicht. Wer kann schon die Eóghanacht bestrafen? Sei’s drum. Ich will nicht ins Grab sinken, ohne die Wahrheit weitergegeben zu haben.« Sie machte eine Pause, wohl um sich zu sammeln. »Es war ein ganz normaler Tag. Die Sonne schien, und der Krieger war wieder fort …«
»Der Krieger?«
»Das war, nachdem die Eóghanacht uns besiegt hatten. Als Strafe, die über uns verhängt wurde, waren Kriegertrupps von Cashel gekommen, die sollten uns überwachen, bis wir die Friedensbedingungen angenommen hatten. Der Anführer von dem Haufen nistete sich auf dem Hof ein und ließ es sich gutgehen.«
Gespannt beugte sich Fidelma vor. »Weißt du, wie er hieß?«
Suanach runzelte die Stirn. »Das ist schon so lange her. Ich hab’s vergessen. Ich kann mich nur erinnern, dass er einen goldenen Halsreif trug und damit prahlte, dass er zur Leibwache des Königs von Cashel gehöre. Er sei hier, hat er gesagt, um bei uns Ordnung zu schaffen. Groß war er und schlank.«
»Vielleicht fällt dir der Name noch ein.« Fidelma war enttäuscht. »Aber sprich weiter. Wie lange war er denn hier?«
»Ziemlich lange. Ich glaube, ein paar Monate, aber ein ganzes Jahr war es nicht. Lange genug jedenfalls, dass er so tun konnte, als hätte er sich verliebt.«
»In wen wollte er sich denn verliebt haben?« Fidelmas Nerven waren aufs Äußerste gespannt.
»In eine Frau aus Dún Eochair Mháigh. Menma hat die Hand über sie gehalten. Sie war schon seit ein paar Monaten bei uns. War eine attraktive Frau, hatte Haar schwarz wie die Nacht; wenn die Sonne draufschien, schimmerte es blau.«
»Und wie hieß sie? Kannst du dich daran erinnern?«
»O ja. An ihren Namen erinnere ich mich sehr gut. Liamuin hieß sie. Sie war erst seit kurzem verwitwet und stand unter Menmas Schutz. Er war der bó-aire , der Clanführer, und hatte hier rundum ziemlich viel zu sagen.«
»Und dieser Krieger aus Cashel, der hat sich in sie verliebt, sagst du?«
»Er tat so als ob«, berichtigte sie. »Liamuin aber hatte sich wirklich in ihn verliebt, war ja kein Wunder, stattlich, wie er aussah und ihr schöne Augen machte.«
»Und wie ging es weiter?«
»An dem Tag damals ist es dann passiert. Menma und seine Söhne waren bei der Schafschur. Menmas Frau hat das Mittagessen gekocht, wobei ihr Connait, die junge Haushaltshilfe, zur Hand ging. Liamuin saß draußen mit dem muide und butterte.«
Weil Eadulf Fidelma fragend anschaute, erklärte sie es ihm kurz: »Ein muide ist ein kleines Butterfass.« Das übliche Wort, das Eadulf kannte, war cuinneóg , das hier musste wohl ein mundartlicher Ausdruck sein.
Suanach hatte die Unterbrechung kaum wahrgenommen, sie redete weiter. »Ich habe mich um die Schweine im Pferch am Erdwall gekümmert und war …«
»Der Krieger mit dem Goldenen Halsreif war nicht da, wenn ich dich richtig verstanden habe«, unterbrach sie Fidelma.
»Er war nicht da. Alle paar Tage ist er weggeritten, ist aber immer wiedergekommen. Ich nehme an, er hat sich dann mit seinen Leuten getroffen, die irgendwo in der Gegend kampierten.«
»Wie ging es weiter?«
»Alles war ganz ruhig und friedfertig an dem Morgen, und dann … dann ist er mit einem Dutzend seiner Männer erschienen. Sie setzten mit den Pferden über die Umzäunung und stürzten sich gleich auf Menma und
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