Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
gefunden und hierher geschafft. Wir haben sie gepflegt, so gut wir konnten, auch der Heilkundige aus unserer Gegend hat dabei geholfen. Am Ende war sie so weit genesen, dass sie allein und zurückgezogen hinter dem Berg leben wollte. Menma hatte eine Jagdhütte im Wald; der gehörte ihm zum Teil, und deshalb hat auch ein Förster bei ihm gearbeitet.«
»Vielen Dank. Das hilft uns ein Stück weiter. Hat Suanach jemals darüber geredet, was damals passiert ist?«
»Dass die Reiter von den Eóghanacht aus heiterem Himmel das Gehöft überfallen haben. Cadan, mein Mann, hat das bestätigt.«
»Inwiefern?«
»Er ist ein tüchtiger Jäger und kennt sich aus im Wald. Er hat die Hufabdrücke von mehreren Pferden gesehen. Fast alle Bewohner wurden mit Schwerthieben umgebracht. Die Frau, die dort zu Gast war, haben die Mörder mit Pfeilen durchbohrt und auch den Knecht. Suanach hätte ebenso sterben können, denn sie bekam einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf. Sie wurde aber nur bewusstlos, und weil es so sehr blutete, hielt man sie für tot und ließ sie liegen.«
»Danke, du hast uns sehr geholfen«, wiederholte Fidelma. »Wie ist dein Name?«
»Flannait heiße ich.«
»Dann nochmals vielen Dank, Flannait.« Fidelma wendete ihr Pferd und folgte mit ihren Begleitern dem Pfad über die Hügelkette.
Bald gerieten sie auf eine weite Ebene, die mit Buschwerk überwuchert war. Halb versteckt in dem Gestrüpp entdeckten sie die rußgeschwärzten Mauern von Steingebäuden und die verkohlten Reste von Holzbauten. Die Natur begann bereits, sich das Gelände zurückzuerobern; Gräser, Sträucher, auch Bäume breiteten sich aus. Die Reiter schauten sich nur kurz um und gewannen den Eindruck, dass es sich um ein stattliches Gehöft gehandelt haben musste mit einem großen Wohnhaus und etlichen Nebengebäuden.
Nicht lange, und sie kamen an ein größeres Waldstück, in dem immergrüne Gehölze, auch Stechpalmen und Schlehdorn ineinanderwuchsen. Über weitverzweigten niedrigerenBäumen erhoben sich Erlen mit glatter grauer Rinde und spitz auslaufenden Blättern. Ebereschen zogen sich die Hügelkämme hinauf. Überall wucherten Moose, Farne und Flechten, so dass ein düsterer, fast undurchdringlicher Forst entstanden war.
Und doch war der Wald voller Leben. Eine Schnepfe schoss plötzlich von einem Baum herab. Ihr Ziel war das schlammige Ufer eines Wasserlaufs. Sie schreckte ein Pärchen roter Moorhühner auf, das vom offenen Torfmoor gekommen war und hier Schutz gesucht hatte. Die beiden waren von einem Zwergfalken, einem unerbittlichen Raubvogel, beobachtet worden, der mit raschen Flügelschlägen aufstieg.
Die Reiter lenkten die Pferde im Schritt in das Dickicht hinein. Bald machten sie zwischen den Zweigen eine Hütte aus, die geschützt im Waldesdunkel stand und einem weniger wachsamen Auge nicht aufgefallen wäre. Fidelma und Eadulf mussten absteigen und ihre Rosse bei Gormán auf dem Hauptpfad lassen. Sie bahnten sich einen Weg durch mannshohen Adlerfarn, der sich im Streben nach Sonnenlicht den Baumkronen entgegenstreckte.
Vor der Holzhütte sahen sie sorgsam angelegte Beete, auf denen widerstandsfähiges Wurzelgemüse gedieh.
»Suanach! Erschrick nicht!«, rief Fidelma, »Wir möchten mit dir nur reden, möchten von dir etwas wissen.«
In der Hütte raschelte es, dann ging die Tür knarrend auf. Eine Frau mit struppigem grauen Haar und hellen Augen stand im Türrahmen. Das Gesicht war wettergebräunt, die gealterte Haut von vielen Falten durchzogen. Über ein Kleid aus schwerem Wollstoff hatte sie ein großes Wolltuch geworfen.
»Was willst du wissen?«, fragte sie unfreundlich.
Fidelma spürte, dass die Alte ihr wie alle Leute in diesemGebiet mit Argwohn begegnete. »Flannait, die Frau von dem Bauernhof, hat uns gesagt, wo wir dich finden würden.«
»Und wozu das?«, war die harsche Erwiderung.
»Ich bin eine dálaigh «, erklärte Fidelma unbeeindruckt. »Wie ich gehört habe, hast du vor ein paar Jahren den Überfall auf Menmas rath überlebt.«
Die Frage schien das Misstrauen eher zu verstärken. Die Frau kniff die Augen zusammen und richtete den Blick auf Eadulf; dass sie ihn missbilligte, war unschwer zu erkennen. Dann schaute sie wieder Fidelma an. »Das ist schon so lange her.«
»Nicht länger als vier Jahre, soviel ich weiß.«
»Lange her ist das«, wiederholte Suanach, als hätte sie die Antwort nicht gehört.
»Könnten wir uns drinnen in deiner Hütte unterhalten?«
Die Frau schniefte, trat
Weitere Kostenlose Bücher