Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Mädchen getötet. Daraufhin erklärteer, er wüsste, dass ich geholfen hätte, Liamuin irgendwo zu verstecken. Es sei ihm von jemandem hinterbracht worden, der mich mit ihr gesehen hätte, und er würde sie schon finden, und dann solle sie es büßen. Mir blieb nur die Wahl, ihm entweder zu sagen, wo sie sich aufhielt, oder selbst die Folgen zu tragen. Dann gab er auch noch damit an, dass er seine Tochter Aibell als Leibeigene an Fidaig verkauft hätte. Ich machte ihm Vorhaltungen, das Mädchen hätte doch schon das Alter der Wahl erreicht. Er lachte nur und meinte, ihre Leibeigenschaft würde Liamuins Seele zermartern, wenn er sie erst mal aufgetrieben hätte.« Marban verstummte eine Weile. »Ich durfte es nicht zulassen, dass er sie fand.«
Fidelma beugte sich leicht zu ihm vor.
»Bevor du zauderst, mir zu sagen, was dich belastet, Marban, sollst du eines wissen: In der Gesetzgebung gibt es etwas, was wir colainnéraic nennen, Umstände, die das Töten eines Mitmenschen rechtfertigen und aufgrund derer man straffrei ausgeht. Genauer gesagt, wenn das Töten gewissermaßen ein Akt der Notwehr war.«
Der Müller war leichenblass geworden und starrte sie erschrocken an.
»Du hast die ganze Zeit gewusst, dass ich Escmug getötet habe?«, fragte er schleppend.
»Solange du uns das noch nicht erzählt hattest, haben wir es auch nicht gewusst. Aber hast du Escmug getötet und den Leichnam dann zu dem Biberbau gebracht?«
Der Müller zitterte am ganzen Leibe. »Ja, ich habe ihn umgebracht. Und ja, es war Notwehr. Als ich mich weigerte, ihm zu sagen, wo sich Liamuin aufhielt, und ihm drohte, ich würde unserem Brehon sagen, dass er seine Tochter eigenhändig in Leibeigenschaft gegeben hätte, geriet er außer sich vor Wut. Er griff nach einer Axt. Ich aber bekam einen Holzknüppel zufassen und schlug zu. Ich erwischte ihn seitlich am Kopf, und er sackte nieder. Der Hieb hatte gesessen, er bewegte sich nicht mehr. Er war sofort tot. Ich schleppte die Leiche zum Fluss und warf sie hinein im guten Glauben, die Strömung würde sie flussabwärts treiben, und man würde sie dann finden. Aber sie verfing sich in den Ästen vom Biberdamm und blieb dort hängen, wo man sie später fand.«
»Hast du das alles allein gemacht, oder hat dir jemand geholfen?«
»Es ist so geschehen, wie ich es geschildert habe. Er schrie und wütete. Als er begriff, dass ich Liamuin die ganze Zeit geholfen hatte, geriet er vollends in Rage. Nein, ich war allein, geholfen hat mir niemand.«
Fidelma nickte bedächtig. »Dann ist der Totschlag in Notwehr erfolgt«, stellte sie sachlich fest.
»Wie aber ging es weiter mit Liamuin?«, wollte Eadulf wissen. »Du sagtest doch, sie wäre tot.«
»So hat man es mir berichtet.«
»Du weißt bestimmt mehr. Bitte, erzähle es uns.«
»All das geschah nach dem Krieg gegen Cashel. Nach unserer Niederlage und dem Tod unseres Stammesoberen besetzten Krieger aus Cashel verschiedene Orte. Sie sollten gewährleisten, dass wir nicht aufbegehrten. Keinem von uns ist es in jener Zeit gut ergangen.«
»Sprich nur weiter«, forderte ihn Fidelma auf, da er eine Pause machte.
»Menma erzählte mir, ein Krieger wäre bei ihm erschienen und hätte darauf bestanden, sich in seinem Haus einzuquartieren.«
»Wer war dieser Krieger?«
»Das weiß ich nicht. Nur dass er aus Cashel war und einen ebensolchen goldenen Halsreif trug wie du.«
»Dann gehörte er also zur Leibgarde meines Bruders?«
»Egal, wer er war, mein Freund Menma war gezwungen, ihn bei sich wohnen zu lassen. Offensichtlich war es seine Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass es hier am Fuße des Bergzugs, der die Grenze zwischen unserem Gebiet und dem der Luachra darstellt, zu keinen Unruhen kommt.«
Eadulf musste bei dem Gedanken lachen. »Nur ein Krieger für eine solche Aufgabe?«
»Er war der Befehlshaber einer Truppe, die in der Bergregion zwischen Sliabh Luachra und dem Stammland der Uí Fidgente ihr Lager aufgeschlagen hatte. Ab und an ging er zu ihnen und ließ sich über die Stimmung unter der Bevölkerung berichten, denn die Friedensverhandlungen durften durch keinerlei Aufruhr gestört werden.«
Abermals machte der Müller eine Pause und wischte sich mit einem Tuch die Stirn, ehe er fortfuhr.
»Ich sagte ja schon, was in dem Kopf einer Frau vorgeht ist schwer nachvollziehbar. Es währte nicht lange, und Liamuin und der Krieger aus Cashel entwickelten eine Zuneigung zueinander. Obwohl ihr eigener Bruder in Cnoc Áine umgekommen war,
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