Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
meinst du das?«
»War er unruhig? Oder machte er eher einen schläfrigen Eindruck?«
»Er war den ganzen Nachmittag in Bewegung, rannte immer umher. Ich glaube, er hatte sich ausgearbeitet …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende, geriet ins Grübeln.
»Dir ist gerade etwas eingefallen?« Fidelma ließ nicht locker.
»Ja, es war irgendwie merkwürdig. Er kam rein, als ich mir gerade mein Abendessen zurechtmachte. Er hatte einen Knochen im Maul und war ganz friedlich. Wahrscheinlich hatte er den bei einem Nachbarn von anderen Hunden ergattert. Er trottete zu seinem Lager und streckte sich hin. Meist gebe ich ihm ein Stück Fleisch oder einen Knochen, wenn ich selbst so etwas auf dem Teller habe.«
»Und? Gab es bei dir gestern Abend Fleisch?«, fragte Eadulf.
»Ja. Ich warf ihm auch etwas hin, aber das reizte ihn nicht, er ließ den Happen achtlos liegen.«
»Wo hat er sein Lager?«
Della führte sie unter das Vordach ihres kleinen Holzhauses. Auf einem trockenen Flecken war Sackleinen ausgebreitet. Als sie darauf zugingen, kam der Hund herbei, schnapptesich einen Fleischrest und machte sich leise knurrend darüber her. Fidelma aber interessierte ein Knochen, der auch da lag. Sie bückte sich und nahm ihn auf. Das Fleisch war noch nicht gänzlich abgeknabbert. Vorsichtig schnupperte sie daran und verzog angewidert das Gesicht, dann reichte sie ihn mit fragender Miene Eadulf weiter.
Auch er roch daran und zog gleichfalls eine Grimasse, denn der Geruch war streng und unangenehm. » Cáerthann curraig «, sagte er und hatte sofort den irischen Namen parat.
»Was ist das?«, fragte Della verwirrt.
»Baldrianwurzel. Apotheker nehmen sie gern zur Schmerzlinderung und um den Patienten zum Schlafen zu bringen, sie wirkt nervenberuhigend.«
»Nur dass das hier stärker zu sein scheint, nicht so, wie ich es sonst kenne«, meinte Fidelma.
»Heißt das, jemand wollte meinen Hund vergiften?«, fragte Della erschrocken.
»Das wahrscheinlich nicht«, beschwichtigte sie Eadulf. »Man wollte wohl nur erreichen, dass er träge und schläfrig wurde und nicht zu bellen anfing, damit man in Ruhe das Pferd auf die Koppel bringen und sich ungestört umziehen konnte.«
So recht überzeugt schien Fidelma nicht. »Wozu aber der ganze Aufwand? Der Hund hätte doch schon anschlagen können, als der Reiter sich ihm zum ersten Mal näherte. Ich vermute, der Mönch hatte einen Helfer.«
»Ich kann mir darauf keinen Reim machen«, gestand Gormán.
»Mir fehlt auch jegliche Erklärung«, gab Fidelma zu. »Wir sollten uns auf die Suche nach Zaumzeug und Sattel des Pferdes machen und nach der Kleidung, die der Attentäter abgelegt hat.«
»Ich hab doch schon gesagt, Lady, wir haben draußen alles durchsucht«, meinte Della bekümmert. »Es war einfach nichts zu finden.«
»Vielleicht hat er irgendwo in der Nähe einen anderen geeigneten Ort entdeckt«, merkte Gormán an.
»Hättest du eine Idee, wo?«, fragte Eadulf.
Gormán wies auf die Baumreihe am äußersten Ende des Feldes. »Dahinten zwischen den Bäumen gibt es eine kleine Waldarbeiterhütte. Dort könnte er sich umgezogen und seine Sachen gelassen haben. Etwas anderes fällt mir nicht ein.«
»Dann nichts wie hin.«
Gormán nickte seiner Mutter aufmunternd zu, sagte ihr, dass sie nicht mitkommen müsse, und führte dann die anderen an den friedlich grasenden Pferden vorbei über das Feld. Nicht weit hinter dem Koppelzaun begann südlich von der Siedlung ein Wald. Groß war er nicht, und dahinter erstreckte sich eine riesige Fläche Grasland, die Ebene von Femen. Es war ein Gebiet, um das sich uralte Legenden rankten, wie Eadulf gelernt hatte, Legenden, in denen es um alte Götter und Helden, Göttinnen und Heldinnen ging, die in Fidelmas Volk eine Rolle spielten. Der Wald war groß genug, um die Bewohner von Cashel mit Feuerholz zu versorgen. Mit dem unerlaubten Fällen von Bäumen nahm es die irische Gesetzgebung sehr genau, je nach Baumart waren unterschiedliche Strafen angesetzt. Das vor ihnen liegende Waldgebiet bestand vorrangig aus Birken und Ulmen, Baumsorten, die weit verbreitet waren, aber auch etliche hohe Eiben standen dazwischen, und die galten als äußerst hochwertig.
Gormán entging nicht, wie aufmerksam sich Eadulf umschaute, und musste schmunzeln.
»Als ich ein kleiner Junge war, gab es hier jede Menge Eiben, und das erklärt auch den Standort der Holzfällerhütte.Eibenholz lässt sich schwer bearbeiten und verlangt beachtliche Geschicklichkeit bei der
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