Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
verpflichtet dich, mir zu antworten.«
»Klingt ganz schön überheblich«, kam die schnippische und keineswegs einlenkende Antwort.
»Im Klartext heißt es, dass du zu antworten hast, und zwar mit gebührendem Respekt«, herrschte Gormán sie empört an.
»Mit solchen Worten weiß ich nichts anzufangen«, erklärte sie störrisch.
»Aber das Wort ›Bestrafung‹ sagt dir doch etwas, oder?«, fragte Gormán bissig und machte einen drohenden Schritt nach vorn.
Blitzschnell bückte sie sich und hatte plötzlich einen kleinen Dolch in der Hand.
»Komm mir nicht zu nahe, Schurke, oder du bist ein toter Mann!«
Völlig überrascht wich Gormán zurück.
Eadulf, der sich die ganze Zeit still verhalten hatte, sprang hinter das Mädchen, packte sie am Handgelenk und verdrehte ihr leicht die Hand, so dass ihr das Messer entglitt und auf den Waldboden fiel. Rasch stieß er es mit dem Fuß aus ihrer Reichweite. Wutentbrannt wirbelte sie zu ihm herum, fast hatte es den Anschein, sie würde sich auf ihn stürzen, wie Klauen spreizten und schlossen sich die Hände.
»So eine Giftziege aber auch!«, schnaubte Gormán und wollte sie sich greifen, doch Fidelma hielt ihn zurück.
»Weshalb hast du solche Angst?«, fragte sie ruhig.
Das Mädchen fand zu einer entspannten Haltung zurück, konnte es aber nicht lassen, das Kinn auftrumpfend vorzustrecken.
»Wer sagt, ich hätte Angst?«
»Du selbst, sonst würdest du dich nicht so gebärden.«
»Kommst dir wohl sehr klug vor, wie?«, schmetterte sie zurück.
»Das festzustellen bedarf keiner Klugheit. Ich tät dir ja gern in deinen Nöten helfen, aber das kann ich nur, wenn du über sie sprichst.«
Stumm und trotzig stand das Mädchen da. Fidelma seufzte. Autorität musste freiwillig anerkannt werden, sonst nützte sie nichts.
Sie wandte sich dem jungen Krieger zu. »Gormán, durchsuche die Hütte.«
Er zögerte und warf einen argwöhnischen Blick auf das Mädchen, bevor er dem Auftrag folgte. Als er in die Hütte ging, lächelte Fidelma das junge Menschenkind aufmunternd an.
»Eadulf, heb den Dolch auf und gib ihn ihr zurück.«
Eadulf wollte protestieren, zuckte dann aber nur mit den Achseln und schaute sich suchend auf dem Boden um. Misstrauischbeobachtete das Mädchen die beiden. Eadulf hatte das Messer gefunden und reichte es ihr vorsichtig, mit dem Griff zuerst. Sie nahm es und steckte es in die Lederscheide zurück, die sie an einem um die Taille gebundenen Strick trug. Von Fidelma ließ sie keinen Blick.
Aus dem Innern der Hütte drang ein Triumphschrei nach draußen. Sie drehten sich um, und gleich darauf erschien Gormán mit einer Satteltasche in der einen und einem Sattel und Zaumzeug in der anderen Hand. Er grinste von einem Ohr zum anderen.
Er hielt die Tasche hoch. »Voller Kleider. Unser Verdacht scheint sich zu bestätigen. Der Attentäter muss sich hier umgezogen haben.«
Eadulf entging nicht, dass sich auf dem Gesicht des Mädchens Verwirrung breitmachte.
»Wir müssen uns die Sachen näher anschauen. Vielleicht verraten sie uns etwas«, wies Fidelma an. »Wusstest du von den Sachen da drin?«, fragte sie das Mädchen.
Wieder der aufsässige Blick.
»Warum sollte ich?«
»Man hat dich gefragt, ob du davon wusstest, nicht, warum du es wissen solltest«, tadelte Gormán sie.
Der scharfe Ton ließ das Mädchen zusammenzucken. Doch schon im nächsten Moment gewann der Trotz wieder Oberhand. »Ich habe von den Sachen da nichts gewusst.«
»Seit wann warst du in der Hütte?«, fragte Fidelma.
»Der Morgen fing gerade an zu dämmern. Ich wollte einfach schlafen.«
»Du warst nicht die Nacht über hier?«
»Hab ich doch eben gesagt.«
»Stimmt. Wo aber hast du die Nacht verbracht, wenn du erst früh am Morgen hergekommen bist?«
»Die meiste Zeit war ich zu Fuß unterwegs.«
»Nachts, allein und zu Fuß?«
»Hast du denn sonst noch jemand gesehen?«, höhnte sie.
»Selbst wenn, dann wäre es kein Beweis dafür, dass du nachts allein unterwegs warst«, machte ihr Gormán klar. »Hast du eine Ahnung, wer diese Satteltasche hier zurückgelassen hat?«
»Ich habe ja nicht mal gewusst, dass sie in der Hütte war. Wie oft soll ich das noch sagen?«
»Ob du es gewusst hast oder nicht, wird sich noch herausstellen. Es wird jedenfalls ganz schön schwierig für dich.«
Zum ersten Mal schien das Mädchen verunsichert.
»Wie meinst du das?«
»Auf den König wurde gestern Abend ein Attentat verübt. Der Attentäter hielt sich hier verborgen, und
Weitere Kostenlose Bücher